Buch-Rezension„Wild Site“: Fünf Experten gehen dem Schicksal der Brachflächen in Wien nach

Buch-Rezension / „Wild Site“: Fünf Experten gehen dem Schicksal der Brachflächen in Wien nach
„Wild Site“, neu im Verlag Point Nemo Publishing Foto: Point Nemo Publishing

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Wie umgehen mit bewachsenen Baulücken in Wien? In „Wild Site“, neu erschienen im Verlag Point Nemo Publishing, gehen fünf Experten dieser Frage nach.

Obwohl der 2020 gegründete Verlag Point Nemo Publishing noch relativ jung ist, umfasst sein Katalog bereits ein ansehnliches Angebot. In allen drei Abteilungen „Architektur & Urbanismus“, „Adato – Magazin & Bücher zur Kunst /Architektur“ sowie „Sprache & Poesie“ hat es bereits interessante Publikationen gegeben. Mit „Wild Site“ konnte der Fachbereich „Urbanismus“ nun sinnvoll ergänzt werden. Auch der jetzt präsentierte Gedenkband „Holzbauer“, der an den Architekten Wilhelm Holzbauer erinnert, reiht sich in diese Kategorie ein, auch wenn es das „schriftstellerische Erbe eines der Großen der österreichischen Nachkriegsarchitekten“ umfasst und kein neu verfasster Text ist. Die Herausgeber haben aus dem umfangreichen Nachlass diverser Schriften des „gebildeten und belesenen Menschen“ eine spannende Auswahl getroffen. Beide Bücher schlagen eine Brücke zu Österreich, sozusagen ein „back to the roots“ der Verlegerin Anna Valentiny.

Fachjargon und unbequeme Wahrheit

In „Wild Site“ hat sie dem Kollektiv BAU freie Hand gelassen, ihre Erfahrungen der letzten Jahre im Umgang mit „bewachsenen Baulücken in Wien“ mit fünf Gesprächspartnern zu teilen, sowie neue Wege und sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten auszuloten. Eva Herunter, Katharina Hummer und Julia Obleitner haben sich dabei mit Biologe Florian Etl, den Architekten Gabu Heindl, Jutta Kleedorfer, den Landschaftsarchitektinnen Sabine Plenk und Lilli Licka sowie den Klimaforschern des Kollektivs „Weatherpark“ ausgetauscht und diese zu ihren jeweiligen Fachbereichen im Zusammenhang mit „wilden“ Brachlücken befragt.

Ausgehend von dem Fakt, dass das „Gleichgewicht zwischen Mensch, Naturräumen und gebauter Umwelt“ gestört ist, werden anhand von präzisen Beispielen in der Metropole Wien die Entwicklungen von Grünflächen in geplanten Parks, aber auch die Eigendynamik von verlassenen Flächen im urbanen Umfeld analysiert. Hierbei werden auch „neue Formen des Zusammenlebens von Menschen, Tieren, Bakterien und Pflanzen“ erläutert, wie es im Vorwort heißt.

In fünf Gesprächen werden Daten genannt und Situationen unter die Lupe genommen, teils in einer für Laien nicht immer leicht nachzuvollziehenden Sprache, sodass im Glossar Begriffe wie „Anthrosphäre“, die vom Menschen gestaltete oder beeinflusste Biosphäre, erklärt werden, um nur dieses eine Beispiel herauszugreifen. Einmal von derartigen Fachausdrücken abgesehen setzen die Befragten Akzente, rütteln an Allgemeinplätzen und schrecken nicht vor unbequemen „Wahrheiten“ an die Adresse von Architekten, Stadtplanern und unwissenden Politikern zurück.

Sachdienlich und delikat bebildert mit Aufnahmen von Zara Pfeifer werden die Stellungnahmen der Experten in deutscher und englischer Sprache kompakt im Frage- und Antwortspiel präsentiert und übersichtlich strukturiert, sodass dem Leser die oftmals erstaunlichen Erkenntnisse über das Verhalten von Fauna und Flora sowie die so sichtbar gemachten „Nebenprodukte“ in einer sich ständig veränderten Stadt der „Baulücken, Brachflächen, Zwischen und Resträume“ recht plastisch vor Augen geführt werden.

Sind dies „wilde Orte“ oder einfach vielleicht nur eigenartige, aber ansprechende Orte, die im Endeffekt von Menschenhand „geschaffen“ sind? „Wild Site“ ist auch ein Plädoyer für ausreichend „Freiräume“ in einer Gesellschaft, die allzu oft unwirtlichen Zwängen unterliegt.

„Wild Site“, Herausgeber „Das Bau“, Point Nemo Publishing, 2024, 22 Euro