NSPANATO-Agentur: Kriegstüchtigkeit, organisiert in Luxemburg

NSPA / NATO-Agentur: Kriegstüchtigkeit, organisiert in Luxemburg
Zwei Spatenstiche für zwei Gebäude: Verteidigungsministerin Yuriko Backes (links) und NSPA-Generaldirektorin Stacy Cummings Foto: Editpress/Julien Garroy

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In Capellen sitzt die NSPA, die Beschaffungsagentur der NATO. Von hier aus werden Waffen- und Munitionskäufe des Bündnisses koordiniert – auch für den Einsatz in der Ukraine. Ein Baustellenbesuch auf dem Hochsicherheitsgelände.

Erste Spatenstiche sind immer symbolisch. Nette Fototermine für politische Inszenierungen. Denn wer mit dem Spaten in die Erde sticht, erscheint entschlossen. Wer auf der Baustelle mit anpackt, zeigt keine Scheu, sich die Hände schmutzig zu machen – auch wenn die tatsächliche Schmutzgefahr bei ersten Spatenstichen meist gegen null tendiert. So auch an diesem Dienstagnachmittag auf dem Gelände der NATO-Beschaffungsagentur NSPA in Capellen. Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP) und NSPA-Generaldirektorin Stacy Cummings versenken ihre Spaten in den für sie vorbereiteten Erdhaufen neben der Baugrube – und fragen sich erst einmal, wohin sie die Erde überhaupt symbolisch schaufeln sollen. Übliche Politinszenierung, einerseits. Andererseits steckt hinter diesem Spatenstich viel mehr als nur Symbolpolitik.

Spätestens mit Beginn des Ukrainekriegs wird die Sicherheit Europas auch im luxemburgischen Capellen verteidigt. Seit 1968 befindet sich hier der Hauptsitz der sogenannten „NATO Support and Procurement Agency“ – mit weiteren Stützpunkten in Frankreich, Italien und Ungarn. Die NSPA ist innerhalb des Nordatlantikbündnisses für Logistik und Beschaffung zuständig. Ihre Aufgaben und Leistungen umfassen neben der Anschaffung von Munition, Treibstoff und neuen Waffensystemen auch die Instandhaltung und Lagerung. Die NSPA ist so etwas wie das Bindeglied zwischen Industrie und Partnerländern. Die Agentur schließt Verträge mit Unternehmen ab und geht sogenannte „Support-Partnerships“ mit NATO-Ländern ein.

Der Krieg in der Ukraine hat auch bei der NSPA vieles verändert. Im Jahr 2023 schloss die Agentur Verträge in einer Rekordhöhe von insgesamt 10,6 Milliarden Euro ab. Erst kürzlich hat die NSPA mit einem deutschen und einem französischen Rüstungsunternehmen Rahmenverträge über die Lieferung von Artilleriemunition im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro abgeschlossen. Laut einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur soll die Vereinbarung die Beschaffung von mehr als 220.000 Geschossen ermöglichen – Munition, die auch in der Ukraine zum Einsatz kommen soll. Die ersten Lieferungen werden nach Angaben von NSPA-Generaldirektorin Cummings in knapp zwei Jahren erfolgen können. Im Januar hat die Beschaffungsagentur eine Sammelbestellung im geschätzten Wert von rund 5,1 Milliarden Euro in Auftrag gegeben, um insgesamt 1.000 Flugabwehrraketen für die Mitgliedsländer anzukaufen. Eine der größten finanziellen Beschaffungen in der Geschichte der NSPA.

Die NATO wächst – und damit auch ihre Bedarfe

„Die NATO wächst. In ihrer Größe und in ihren Fähigkeiten“, sagt Generaldirektorin Cummings auf der Baustelle in Capellen. Man zähle nun 32 alliierte Nationen. „Auch die Rolle, welche die NSPA spielt, damit die NATO ihre Ziele und Missionen erfüllen kann, wächst.“ Und wer wächst, braucht Platz. Deshalb sollen auf dem Gelände der Agentur zwei neue Verwaltungsgebäude entstehen. Dieser Bau ist Teil eines mehrstufigen und mehrjährigen Bau- und Modernisierungsprogramms, mit dem Luxemburg als Gastgeberland das Wachstum der NSPA unterstützen und den Standort umweltfreundlicher gestalten möchte. In den beiden Verwaltungsgebäuden sollen bis zu 780 Personen untergebracht werden. „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl unserer Mitarbeiter von 1.000 auf 1.500 gestiegen“, sagt Cummings. 1.100 von ihnen arbeiten im NSPA-Hauptsitz in Capellen. „Für die nächsten zehn Jahre gehen wir von einem ähnlichen Wachstum aus.“

Wir leben in einer Sicherheitsumgebung, die von uns verlangt, immer effizienter, effektiver und responsiver zu werden

Stacy Cummings, NSPA-Generaldirektorin

Bei der Spatenstichzeremonie unterstreicht Ministerin Backes die strategische Rolle, die die NSPA in der aktuellen geopolitischen Weltlage spielt. Die Agentur befähige die NATO zur Verteidigung. „Sie war immer wichtig“, sagt Backes, „und wird es mit Sicherheit auch bleiben.“ Die NSPA müsse für die Zukunft gerichtet sein. Als Gastgeberland trage Luxemburg eine besondere Rolle. Zwei Drittel der Gesamtkosten des Projekts würden vom luxemburgischen Staat übernommen, so die Verteidigungsministerin. Das sind mehr als 200 Millionen Euro. Die restlichen 150 Millionen werden von anderen NATO-Bündnispartnern finanziert. „Wir leben in einer Sicherheitsumgebung“, sagt Generaldirektorin Cummings, „die von uns verlangt, immer effizienter, effektiver und responsiver zu werden.“ Dieses Projekt sei ein erster Schritt in diese Richtung.

Luxemburg ist indes nicht nur Gastgeberland für den Hauptsitz der NSPA, sondern auch Geschäftspartner. „Wir kaufen über die NSPA verschiedene Sachen ein, wie Tankflugzeuge oder Spezialflugzeuge“, sagt Backes am Rande der Zeremonie. Im Rahmen der sogenannten „Ukraine Defence Contact Group“, auch Ramstein-Format genannt, habe Luxemburg außerdem zusammen mit Estland die Führung einer IT-Koalition übernommen, der zehn weitere Länder angehören. „Das wickeln wir hauptsächlich über die NSPA ab“, sagt Backes. So wird Kommunikations- und IT-Equipment eingekauft, das gezielt der ukrainischen Armee zur Verfügung gestellt wird. Luxemburg hat diese Koalition zum Start mit 10 Millionen Euro bezuschusst. 

Seit 56 Jahren sitzt die NSPA in Capellen, eine Modernisierung der Anlage sei längst überfällig, so Backes. Das Projekt werde sich über 15 Jahre ziehen und auch dementsprechend kosten, so die Verteidigungsministerin. „Aber wir müssen investieren und das machen wir auch.“