EU-Parlament„Europa hat es geschafft“ – Brüssel reguliert den Plattform-Kapitalismus von Uber & Co.

EU-Parlament / „Europa hat es geschafft“ – Brüssel reguliert den Plattform-Kapitalismus von Uber & Co.
Beschäftigte von „Uber Eats“ im französischen Nantes protestierten bereits im März 2021 für bessere Arbeitsbedingungen Foto: Loïc Venance/AFP

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Im Europäischen Parlament (EP) wurde gestern die Richtlinie über Plattformarbeit mit 554 Ja- und 56 Nein-Stimmen bei 24 Enthaltungen definitiv verabschiedet. Damit ist eines der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Gesetzgebungsverfahren des luxemburgischen EU-Sozialkommissars Nicolas Schmit abgeschlossen.

Es seien „höchst schwierige Verhandlungen“ gewesen, meinte die Berichterstatterin im EP, Elisabetta Gualmini (S&D), am Mittwoch kurz vor der Abstimmung. Letztendlich habe sich aber gezeigt, dass die EU „nicht nur ein gigantischer Regulierer ist, sondern auch das Leben der Menschen zum Besseren verändern kann“. Mit der Richtlinie soll vor allem der Scheinselbstständigkeit von Millionen von sogenannten Plattformarbeitern entgegengewirkt werden. Nach dem Votum im EP müssen nur noch die EU-Staaten formell zustimmen. Danach haben sie zwei Jahre Zeit, die neuen Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen.

Der EU-Rat hatte die Richtlinie fast zum Kippen gebracht. Die Mitgliedstaaten hatten sich erst nach mehreren Anläufen auf den Gesetzestext einigen können. Ein im Dezember 2023 zwischen EP-Abgeordneten und Vertretern des EU-Rates ausgehandelter Kompromiss wurde im Februar noch einmal überarbeitet. Auch diesem konnten die EU-Staaten vorerst nicht mehrheitlich zustimmen. Schließlich einigte sich der EU-Rat am 11. März auf den neuen Kompromisstext, nachdem Griechenland und Estland ihre Meinung geändert hatten. Deutschland und Frankreich stimmten dem Text nicht zu.

„Europa hat es geschafft“, sagte Nicolas Schmit im Anschluss an die damalige Ratstagung. Denn es sei weltweit erstmals gelungen, die Arbeitsbedingungen von Plattform-Beschäftigten zu regeln. Damit dürfte die europäische Richtlinie weit über die Grenzen der EU hinweg ihre Wirkung entfalten.

Plattform muss Arbeitsverhältnis widerlegen

Die Plattform-Beschäftigten werden oft als Selbstständige geführt, sei es im Bereich der Essensauslieferung, bei Fahrradkurieren oder Beschäftigten des Fahrtendienstes „Uber“. Die Plattform-Betreiber, die eigentlich Arbeitgeber sind, entziehen sich so der Pflicht, ihre Beschäftigten sozial zu versichern. Mit der neuen Regelung soll nun dieser Scheinselbstständigkeit entgegengewirkt werden. Denn mit der Richtlinie werden die EU-Staaten dazu verpflichtet, „eine widerlegbare gesetzliche Beschäftigungsvermutung einzuführen“, wie es in einer EP-Mitteilung heißt. Es obliegt dann künftig der Arbeitsplattform, den Beweis zu liefern, dass kein Arbeitsverhältnis mit ihren Beschäftigten besteht, es sich also nicht um eine Scheinselbstständigkeit handelt.

Eine weitere Neuerung der Richtlinie betrifft die Regelung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI). Denn erstmals werden über ein europäisches Gesetz die Entscheidungen eines Managements geregelt, das sich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses der KI bedient. So werden Plattform-Beschäftigte „ordnungsgemäß über den Einsatz automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssysteme, unter anderem in Bezug auf ihre Einstellung, ihre Arbeitsbedingungen und ihr Einkommen informiert“, wie es in einer Mitteilung des EU-Rates heißt. Algorithmen regeln die Vermittlung zwischen den Kunden und der Arbeitsplattform, also den dort Beschäftigten. Nun wird festgelegt, welche Rechte die Beschäftigten gegenüber solchen Algorithmen haben.

Uber bald in Luxemburg?

Derzeit gelten EU-weit mehr als 28 Millionen als Plattform-Beschäftigte. Bis zum Jahr 2025 könnte sich ihre Zahl auf 43 Millionen Beschäftigte erhöhen, so Schätzungen, die vom Generalsekretariat des EU-Rates angeführt werden. Neben den Fahrdiensten (Taxi) und Lieferdiensten werden mittlerweile auch häusliche Dienste, Fachdienstleistungen, wie etwa im Rechnungswesen, freiberufliche Dienste oder Betreuungsdienste über Arbeitsplattformen angeboten. Meist handelt es sich um junge, männliche Beschäftigte mit postsekundärer Ausbildung, die über diesen Weg einer Zweitbeschäftigung nachgehen.

Die neue Regelung dürfte dafür sorgen, dass nun auch in Luxemburg Klarheit bezüglich der Absicherung von Plattformbeschäftigten geschaffen wird. Vor allem, nachdem offenbar der US-amerikanische Fahrdienstvermittler Uber plant, mit seinem Essenslieferdienst Uber Eats in Luxemburg tätig zu werden, wie vergangene Woche das Luxemburger Wort meldete. Doch auch im Taxiwesen könnte Uber bald in Luxemburg Fuß fassen. Dem Fahrdienstvermittler wird im CSV-DP-Koalitionsabkommen zumindest eine Autorisierung in Aussicht gestellt. Vorausgesetzt, die Beschäftigten seien sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert, wie es im Koalitionsabkommen heißt. Demnach ist davon auszugehen, dass die nun verabschiedete Richtlinie rasch ins nationale Recht umgesetzt wird.