ForumAn der belscher Sakgaass: Über das betrübliche Leben der Monarchen

Forum / An der belscher Sakgaass: Über das betrübliche Leben der Monarchen
 Foto: AFP/Belga/Laurie Dieffembacq

Ein Staatsbesuch in Belgien muss der blanke Horror sein. Man darf sich gar nicht vorstellen, was unserem Monarchen auf dieser surrealen Zwangsreise alles durch den Kopf geht. Heiliger Waterzooi! Heiliger Manneken Pis! Was habe ich nur verbrochen? Drei Tage lang feierlich rumstehen und Erhabenheit heucheln, das zehrt gewaltig an der Nervensubstanz. Na gut, die Pflicht ruft, ich muss ja repräsentieren, weil ich sonst nichts kann und weil die Honorare für diesen repräsentativen Nichtskönnerjob üppig sind, aber ausgerechnet Belgien? Geht’s noch?

Drei Tage lang immer die gleichen têtes à claque, die öden Verwandten, die königlichen Langweiler, die aristokratischen Schnösel, die abgedroschenen Phrasen, und immer wieder die berittene Ordnungsmacht, Pferde, wohin man blickt, stocksteife Soldaten mit kapriziösen Mützen, protokollarisches Händeschütteln, einmal, zweimal, hundertmal, Knicks, Verneigungen und Verbeugungen, Knicks, noch mehr Händeschütteln, schon schmerzt das Gelenk, knacks, und ständig die Frage: Der schon wieder? Was soll ich mit dem nur reden? Ich kenn’ ihn ja seit ewigen Zeiten und er kennt mich, er hat nichts zu sagen, ich auch nicht, wir haben uns nichts zu sagen, sagen wir also lieber nichts, aber wie gesagt, er will pausenlos etwas sagen, der verfluchte Lackaffe.

Immer wieder läuft er mir über den Weg, dieser windige Außenminister, der Staatsclown par excellence, Oberhäuptling aller Simulanten, dieser schlechte Dorftheaterschauspieler mit dem Jackett voller Klunker, fette Orden, tellergroße Medaillen, goldene Auszeichnung im Grand Ordre de la Couronne du Plagiaire, was bildet er sich nur ein? Als Premier hat er dereinst mich und meine geliebte Gattin drangsaliert bis zum Gehtnichtmehr, er wollte uns an die Kette legen, uns die Luft abschnüren, die Monarchie zerbröseln, er hat unser Gottesgnadentum verunglimpft, meine geliebte Gattin leidet wie ein angeschossenes Rehkitz, und ich bin zutiefst erschüttert. Herr im Himmel, lass ihn schmoren im ewigen Höllenfeuer!

Dann kommt schon das Staatsbankett. Erlesen futtern in der Zwangsjacke sozusagen, small talk, nein, smallest talk mit Besteckgeklimper, und immer gut aufpassen: Es wird ja fotografiert, ich muss ja vorteilhaft dreinschauen und staatsmännische Seriosität versprühen. Jetzt muss ich wieder eine Tischrede halten, die immergleiche Rede, der immergleiche Kampf ums korrekte Ablesen der immergleichen Floskeln, und kein Schwein hört mir zu. Um mich herum eine einzige Nabelschau, meine Minister in sich selbst versunken, beschäftigt mit der eigenen Genialität, meine mitgeschleppten Wirtschaftskapitäne aufgeplustert wie Gockel, was soll dieser elende Zirkus? Sie müssen doch nicht mit allerteuerstem Aufwand nach Belgien reisen, die verdammten Geschäftemacher, sie können doch zu Hause bleiben und ihre Deals per Handy abwickeln, oder wenn’s sein muss per Videokonferenz, statt sich tagelang vom Maßschneider zu reisenden Fastnachtsprinzen aufpäppeln zu lassen! Ich hasse diese arrogante Galerie! Sie hören mir nicht zu, meine Rede ist ihnen schnuppe, zu allem Überfluss ist auch das Essen wieder eine Kalamität, merkwürdige Spezialitäten von überkandidelten Köchen, und ich muss wie ein Automat noch und noch meinen Senf dazugeben: Très intéressant! Très délicieux! Très exceptionnel!

Kabes a Monarchie

Meine geliebte Gattin tut mir leid. Immer wieder wird sie in die Nebenrolle abgedrängt, sie darf sich nicht einmal Großherzogin nennen, obwohl sie sich auf den Kopf stellt, um wie eine Großherzogin zu wirken. Sogar das miese belgische Wetter hat sich gegen sie verschworen. Es regnet in Strömen, die höchst kreative, höchst eigenwillige Garderobe meiner geliebten Gattin kommt gar nicht zur Geltung, der scharfe Wind fährt ihr in die Parade, ihr offener Mantel flattert, sie muss das teure Tuch diskret bändigen, es gelingt ihr nicht, warum zum Teufel hat der belgische König nicht wenigstens Einfluss auf die Meteorologie genommen?

Meine geliebte Gattin ist eine vestimentäre Künstlerin ersten Grades. Sie scheut weder Mühen noch Umwege, um sich von den berühmtesten Modeschöpfern in standesgemäße Prachtgewänder hüllen zu lassen. Zur Hochzeit unserer geliebten Tochter trug sie einen monumentalen Kohlkopf auf der Schulter, eine Stoffkreation natürlich, die Botschaft war klar: Wir sind ökologisch auf der Höhe, Kabes a Monarchie, die ideale Symbiose, unser starkes Bekenntnis zu Natur und Bio-Herrschaft. Doch meine geliebte Gattin wurde einmal mehr böswillig missverstanden. Man hat sie mit Giftpfeilen gelöchert. Ihr wurde unterstellt, den Kleiderwahn auf die Spitze zu treiben. Alle Halbgebildeten und modisch Ahnungslosen verbündeten sich gegen sie. Immer wieder dieses verrückte Mobbing! Sogar Monsieur Stéphane Bern, dieser veritable Rammbock des französischen Geisteslebens, der wunderbare mental coach meiner geliebten Gattin, hat voller Entsetzen sein Beileid bekundet: Madame Votre Altesse, le Grand-Duché ne vous mérite pas.

Lasst uns die Möwen loben

Diese unaufhörlichen Feindseligkeiten lassen wir uns nicht länger bieten. Nie wieder Belgien! Nie wieder ein Staatsbesuch! Ich werde abdanken, schreibt’s euch hinter die Löffel! Mein Land ist verloren, mein Staat ist bankrott, wir alle sind am Ende, es ist vorbei, verehrte Untertanen! Und sollte es mich und meine geliebte Gattin wider Erwarten noch einmal auf belgisches Territorium verschlagen, dann treten wir strikt inkognito auf, als reine Privatiers, und zwar kommt nur die Belsch Plaasch als geheimer Aufenthaltsort infrage. Dort wird meine geliebte Gattin völlig frei in einem sensationellen swim suit über den Sandstrand lustwandeln, die Möwen werden sich wundern, aus ihrem begeisterten Kreischen werden wir heraushören: Es lebe die Großherzogin! Gott schütze die ultimative Ikone der modischen Königinnentracht!

Lasst uns die Möwen loben. Sie haben alles verstanden. Ihre Komplizität geht uns zu Herzen. Alles andere dürfen wir par la grâce de Dieu getrost vergessen.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „La coupe est pleine“.<br />
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „La coupe est pleine“.
JJ
24. April 2024 - 8.58

Die Verfassungsreform wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Aber dazu braucht es Chuzpe. So wedeln wir weiter mit dem Fähnchen und warten auf Skandälchen vom Hofe und die nächste "Hutparade". Oh mei

Miette
23. April 2024 - 11.28

Schon beim Frühstück gelacht, Herr Rewenig sie haben meinen Tag gerettet! Danke!

Republikaner
23. April 2024 - 10.57

Super, Saugutt! Besonnesch deen Deel vum "Lackaffe mat sénge sëllechen Medaillen". Selten iwert Tatsachen esou gelâcht.

Hottua Robert
23. April 2024 - 10.45

Ab 1933 mußten die Katholiken laut dem monarchischen Gottesgnadentum des unfehlbaren päpstlichen "Luxemburger Wortes" Bomben und gutrassige Kinder zur Aufartung der degenerierten himmlischen Herrenrasse erzeugen. Alle nicht-gutrassigen, nicht-bioherrschaftlichen Bevölkerungselemente durften mit dekalogfreiem katholischem Beistand auf gnadenreiche Himmelfahrtswege geleitet werden. MfG Robert Hottua