SerieShogi-Brettspiele: „Shōgun“ entführt ins feudale Japan

Serie / Shogi-Brettspiele: „Shōgun“ entführt ins feudale Japan
Samurai, Jesuitenpriester und portugiesische Kaufleute sind in politische Machtkämpfe verwickelt

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Die neue Serie „Shōgun“, auf Disney+ zu sehen, befasst sich mit dem feudalen Japan zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Shōgun ist der japanische Militärbegriff für einen Kriegsführer der Samurai.

Es ist die Zeit des Umbruchs: Der Inselstaat Japan droht gänzlich zu zerfallen. Der ohnehin brüchige Frieden wird dadurch nochmal gefährdet, dass der Fürst im Sterben liegt und sein Sohn zu jung ist, um die Nachfolge anzutreten. In Voraussicht setzt der Fürst auf dem Totenbett einen Rat ein, bestehend aus Mitgliedern der fünf großen Fürstenhäuser, die Daimyo, ein, die bis zur Volljährigkeit seines Sohnes die Geschicke des Reiches lenken sollen. Der politische Druck auf den besonnenen Daimyo, Toranaga (Hiroyuki Sanada), wächst, da er aufgrund seiner friedvollen Haltung die Missgunst der anderen vier Häupter auf sich gezogen hat. Ein Krieg steht unmittelbar bevor. Als der schiffbrüchige englische Seemann John Blackthorne (Cosmo Jarvis) an die japanische Küste gelangt, könnte sich das Blatt für Toranaga wenden.

Die amerikanisch produzierte Serie „Shōgun“ von Schöpfer Rachel Kondo und Justin Marks lebt vor allem von seiner eindringlichen und dichten Atmosphäre, der Schaffung einer Sogwirkung über das Abrufen einer mythisch-überhöhten Vorstellungswelt des feudalen Japans. Der Roman, den der britisch-amerikanische Schriftsteller James Clavell 1976 herausbrachte, ist die Basis, von der aus sich diese Geschichte um politisches Ränkeschmieden, brüchige Allianzen und die Vormachtstellung des christlichen Glaubens im japanischen Inselstaat entfaltet. Bei der Konzeption des Stoffes war eine historische Persönlichkeit, der englische Seefahrer Williams Adams, eine wichtige Bezugsquelle, der sich durch seine Weltgewandtheit dem Shōgun Tokugawa Ieyasu imponierte und später selbst zum Samurai ernannt wurde. Tokugawa gilt in der japanischen Geschichtsschreibung gemeinhin als der „Reichseiniger“, dessen Herrschaft als eine Zeit des inneren Friedens, der politischen Stabilität und des wirtschaftlichen Wachstums angesehen wird.

Zwei Pole

Hiroyuki Sanada vereint in seiner Darstellung des widerwilligen Fürsten die beiden Pole, die sein Wesen ausmachen: Da gibt es zum einen die besonnene Zurücknahme, die auch Ausdruck seiner weltgewandten Erhabenheit ist, zum anderen die harsche Entschlossenheit, mit der er seine noblen Ziele eines größeren Ideals verfolgt. Unter diesem Bild erinnert er an Toshirō Mifune, der Star des japanischen Nachkriegskinos, der besonders in den Samurai-Filmen Akira Kurosawas zu weltweiter Popularität gelangte – ferner noch in der ersten Fernsehserie um den Stoff 1980 neben Richard Chamberlain als Blackthorne die Rolle des Yoshii Toranaga annahm. Dieses spezifische Bild eines stoischen, oftmals wortkargen, aber überaus achtsamen Kriegerfürsten des feudalen Japans hat sich, ausgehend von Kurosawa, auch im westlichen Raum niedergeschlagen – „The Last Samurai“ (2003) ist wohl das bekannteste Beispiel.

Auch hier begleiten wir den Weg des westlichen Außenseiters, der in den Lebensweisen der Samurai unterwiesen wird. Die Neuauflage der Serie besticht freilich mit einer heutigen visuellen Opulenz und einer gegenwärtigen Hochglanzästhetik, die die Wertigkeit der eigenen Bilder nochmals oberflächlich affizieren soll. Überhaupt setzt die Serie sehr auf eine Detailtreue in Kostümen und Requisiten, ferner auch auf kulturelle Eigenheiten des ostasiatischen Raums, speziell den Bräuchen der Samurai: Das Seppuku, die für westliche Zuschauer eher befremdliche Praxis des rituellen Selbstmords, nimmt in der Serie einen großen Stellenwert ein.

Das politische Machtspiel, das „Shōgun“ im Japan um 1600 abbildet, hat natürlich eine reiche erzählerische Tradition: Von William Shakespeare bis zu „Game of Thrones“ haben sich entsprechende Erzählmuster gefestigt und fortgeschrieben – das ewig andauernde politische Schachspiel, das hier eher auf einem großen Shogi-Brett ausgetragen wird, ist das allumfassende Thema von „Shōgun“ – jede Episode berichtet davon, wie politische Akteure zwischen machthungrigen Regentschaftsräten, zwielichtigen Jesuitenpriestern und portugiesischen Kaufleuten in Stellung gebracht werden, obschon beständig absehbar ist, wie schnell ihnen der tiefe Fall drohen kann.