Test2Wladimir Putin – Der Kriegsherr auf der Suche nach geschichtlicher Größe

Test2 / Wladimir Putin – Der Kriegsherr auf der Suche nach geschichtlicher Größe
24.03.2024, Russland, ---: Auf diesem von der nationalen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichten Foto zündet Wladimir Putin, Präsident von Russland, am Volkstrauertag eine Kerze zum Gedenken an die Opfer des Anschlags auf das Konzerthaus Crocus City Hall an. Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte die Tat bereits in der Nacht zu Samstag (23.03.2024) für sich reklamiert. Foto: Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

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Russland hat gewählt – und laut vorläufigen Ergebnissen kann der langjährige Präsident Wladimir Putin weitere sechs Jahre uneingeschränkt herrschen. Die Wahlkommission bescheinigte Putin am Sonntagabend auf Basis von Teilergebnissen eine klare Mehrheit von rund 87 Prozent. Sein Wahlsieg galt schon vor dem Urnengang als ausgemacht – Putins System der Unterdrückung jeglichen Widerspruchs hat Russland zu einem autoritären Staat gemacht. Zwar gab es bei der Wahl vereinzelte Proteste, aber einen wirklichen Gegner hat der 71-jährige Staatschef nicht.

Seit sein Vorgänger Boris Jelzin ihn – für viele Beobachter überraschend – in der Silvesternacht 1999 zum russischen Präsidenten ernannte, hat Putin seine Macht systematisch ausgebaut. Er hat ihm unliebsame Oligarchen entmachtet und jegliche echte Opposition verboten. Genau einen Monat vor der Präsidentschaftswahl starb Alexej Nawalny, sein bekanntester politischer Gegner, unter ungeklärten Umständen im Straflager. Andere Oppositionelle sind entweder ebenfalls tot, ins Exil geflohen oder sitzen langjährige Haftstrafen ab.

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 hat die Staatsmacht das Vorgehen gegen politische Gegner noch weiter verschärft. Größere Anti-Kriegs-Proteste in den ersten Stunden und Tagen nach dem Beginn dessen, was Putin „militärische Spezialoperation“ nennt, wurden rasch niedergeschlagen.

Der Staatschef überstand selbst den bisher gefährlichsten Angriff auf seine Herrschaft. Im Juni 2023 führte sein langjähriger Vertrauter Jewgeni Prigoschin, Chef der berüchtigten Söldnergruppe Wagner, einen Aufstand mit dem erklärten Ziel an, die militärische Führung des Landes zu stürzen.

Die Meuterei war eine Gefahr für das von Putin gepflegte Image als strategisches Genie und peinlich für einen Herrscher, der sich selbst gern mit dem Zaren Peter der Große vergleicht. Doch Prigoschins Aufstand scheiterte. Genau zwei Monate später starb er bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz.

Putins Macht scheint derweil ungebrochen. Die Opposition im Land ist weitgehend verstummt, die russische Wirtschaft wächst wieder. Im Osten der Ukraine hat die russische Armee zuletzt Geländegewinne verzeichnet. Putin selbst hat wieder begonnen, ins Ausland zu reisen.

Zum Politiker wurde der aus einer Arbeiterfamilie im damaligen Leningrad stammende Putin in dem Jahr, in dem sich ereignete, was er später als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete. 1991 fiel die Sowjetunion auseinander. Putin, der zuvor als Offizier für den sowjetischen Geheimdienst KGB in der DDR gearbeitet hatte, begann, für den Bürgermeister seiner Heimatstadt zu arbeiten.

Sieben Jahre später, als Leningrad längst wieder St. Petersburg hieß, ernannte der damalige russische Präsident Boris Jelzin Putin ihn zum Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, 1999 machte er ihn zum Ministerpräsidenten. Es war ein von langer Hand geplanter Machtwechsel. Vollendet wurde er in der Nacht, in der die Welt das Jahr 2000 begrüßte: Jelzin trat zurück, Putin wurde sein Nachfolger. Im März 2000 gewann Putin seine erste Präsidentschaftswahl, 2004 wurde er wiedergewählt.

Im Inland gewann er durch sein Versprechen an Popularität, Russland nach den von vielen Russen als chaotisch und erniedrigend empfundenen 90er Jahren zu stabilisieren. Im Ausland galt der Mann mit den stechenden Augen und der kahlen Stirn vielen in diesen Jahren als Hoffnungsträger und Reformer, der Russland zum demokratischen Partnerland des Westens machen kann. US-Präsident George W. Bush lobte ihn als „bemerkenswerten Anführer“, der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als „lupenreinen Demokraten“.

2008 durfte Putin nicht mehr als Präsident antreten, die russische Verfassung sah damals eine Obergrenze von zwei Amtszeiten in Folge vor. Daraufhin wechselte er ins Amt des Ministerpräsidenten, Staatschef wurde sein Vertrauter Dmitri Medwedew. Der starke Mann im Staat blieb jedoch Putin. 2012 stieg er erneut zum Staatschef auf, ungeachtet der Proteste von Demokratie-Aktivisten.

Als 2014 in der Ukraine eine pro-westliche Protestbewegung den russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch zum Sturz brachte, sah Putin darin einen von den USA gesteuerten Staatsstreich. Zum Entsetzen des Westens annektierte er daraufhin die Krim-Halbinsel und heizte den Konflikt zwischen den separatistischen Kräften im ostukrainischen Donbass und Kiew an. Am 24. Februar 2022 schließlich ließ er unter dem Vorwand eines angeblichen Völkermords im russischsprachigen Donbass Panzer in das Nachbarland rollen.

Seither ist die Repression im Inland härter als je zuvor: Tausende Russen wurden auf Grundlage neuer Zensurgesetze zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Politik ist von scharfem Nationalismus geprägt, jüngst verabschiedete Gesetze nehmen LGBTQ-Menschen ins Visier.

Vom Westen ist Russland heute so weit entfernt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Durch die vielen Sanktionsrunden ist Russland unter anderem vom globalen Bankensystem ausgeschlossen.

Putin präsentiert sich vor diesem Hintergrund als Anführer einer anti-westlichen Bewegung. Er spricht von einer „neuen Welt“, die Russland aufbaue – und hat die Beziehungen des Landes zu Indien und China verstärkt. Russland hat die Energieexporte in beide Länder deutlich erhöht.

Im vergangenen Monat eroberte die russische Armee nach monatelangem Kampf die ostukrainische Stadt Awdijiwka. Es war ein bedeutender symbolischer Gewinn. In seiner Rede zur Lage der Nation kündigte Putin einen entschlossenen Kampf der russischen Soldaten bis zum Sieg an: „Sie werden nicht nachgeben, sie werden nicht versagen und sie werden uns nicht verraten.“

bur/gt/ck