Großbritannien Premier Sunak bringt ein umfassendes Rauchverbot auf den Weg

Großbritannien  / Premier Sunak bringt ein umfassendes Rauchverbot auf den Weg
Premierminister Rishi Sunak will Großbritannien rauchfrei machen Foto: AFP/Ben Stansall

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Großbritannien erhält das schärfste Anti-Rauchgesetz der Welt. Am Dienstagabend stimmte das Unterhaus parteiübergreifend mit großer Mehrheit dafür, allen Briten der Jahrgänge 2009 und jünger das Rauchen lebenslang zu verbieten.

Die Abhängigkeit von einer gesundheitsgefährdenden Substanz sei „keine Freiheit“, sagte die konservative Gesundheitsministerin Victoria Atkins mit Hinweis auf das starke Suchtpotenzial von Nikotin. „Es ist unsere Pflicht, die heranwachsende Generation zu schützen.“ Deshalb soll auch das Vaping auf der Insel stark eingeschränkt werden, um das Anfixen von Kindern und Jugendlichen mit E-Zigaretten zu verhindern.

Die Idee eines radikalen Verbots für bestimmte Jahrgänge hatte Anfang vergangenen Jahres zunächst die Labour-Opposition aufgebracht. Premierminister Rishi Sunak machte sich das Vorhaben im Herbst auf dem Jahrestreffen seiner Tory-Partei zu eigen. Wie bei früheren Abstimmungen zu dem gesellschaftlich früher stark umstrittenen Thema hob der Regierungschef auch diesmal den Fraktionszwang auf. Prompt verweigerte ihm knapp die Hälfte seiner Abgeordneten die Zustimmung.

Im Einklang mit der Bevölkerung oder ihren Wählern befinden sich die Mitglieder des rechten Parteiflügels damit nicht: Umfragen zufolge halten zwei Drittel der Briten das Verbot für richtig, unter den Tory-Anhängern sind es sogar 70 Prozent. Die Argumente der Anti-Nikotin-Lobby klingen allzu überzeugend: Rund 80.000 Briten sterben jährlich an den Folgen ihres Nikotin-Konsums, vier von fünf Rauchern geraten vor ihrem 20. Lebensjahr in die Abhängigkeit. Zwar haben die energischen Maßnahmen gegen das Rauchen in den letzten Jahren Wirkung gezeigt: Statt 24 Prozent vor dem 2007 eingeführten Verbot des Rauchens in geschlossenen Räumen hängen mittlerweile nur noch knapp 13 Prozent der Briten am Glimmstängel.

Das verursacht nach Angaben der Lobbygruppe „Cancer Research UK“ jährliche Kosten von rund 17 Mrd. Pfund (19,9 Mrd. Euro), wohingegen die Tabaksteuer dem Finanzminister pro Jahr knapp 9 Mrd. Pfund (10,5 Mrd. Euro) in die Kasse spült. Beide Summen dürften sich stetig verringern, wenn von 2027 an die neue Regelung in Kraft tritt. Bisher müssen Briten mindestens 18 Jahre alt sein, wenn sie Tabakprodukte kaufen wollen; sobald aber die vom 1. Januar 2009 die Volljährigkeit erreichen, wird die Altersschwelle jeweils um ein Jahr angehoben.

Nein zu Sunaks Gesetz

Die Befürworter der Regelung rechnen damit, dass nach anfänglicher Aufregung der gesellschaftliche Konsens sich zunehmend mit der Gesetzeslage abfindet. Praktische Probleme bleiben freilich bestehen. Fragen Ladenbesitzer in Zukunft wirklich erkennbar erwachsene Kundinnen, die eine Schachtel Zigaretten begehren, nach ihren Ausweisen und nehmen damit mögliche Konflikte auf sich?

In der Parlamentsdebatte ging es vor allem um grundsätzliche, an individuellen Freiheitsrechten orientierte Einwände. Sie sorge sich um das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, begründete etwa Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch ihr Nein zu Sunaks Gesetz. „Wir sollten Erwachsene, deren Geburtsdaten einen Tag auseinanderliegen, nicht unterschiedlich behandeln.“ Wie die ehrgeizige, auf Sunaks Nachfolge schielende 44-Jährige gehörten auch eine Reihe anderer Regierungsmitglieder zu den 57 konservativen Nein-Sagern. Weitere 106 Torys enthielten sich der Stimme, darunter Badenochs schärfste Konkurrentin Penelope Mordaunt.

Deutlich wurde dadurch wieder einmal, dass die Konservativen die Zukunft nach der längst eingepreisten Niederlage bei der kommenden Unterhauswahl im Auge haben. So lässt sich auch erklären, warum zwei frühere Premierminister gegen den bisher geltenden Comment verstießen, höchstens in Fragen der nationalen Sicherheit öffentlich gegen den Amtsinhaber Stellung zu beziehen. Der gescheiterte Ex-Premier Boris Johnson denunzierte das neue Gesetz als „total bescheuert“ und führte den berühmten Zigarrenraucher Winston Churchill ins Feld: Ausgerechnet die Partei des Kriegspremiers gebärde sich nun illiberal. Dass Churchill in seiner langen Parlamentskarriere zweimal die Partei gewechselt hatte, erwähnte sein Biograf vorsichtshalber nicht.

Wie Churchill fühlte sich auch Johnsons Kurzzeit-Nachfolgerin Liz Truss einst bei den Liberalen zu Hause, ehe sie ihren langen Marsch auf den äußersten rechten Tory-Flügel begann. Das Rauchverbot sei „fundamental unkonservativ“ und auf dem Mist einer „technokratischen Elite“, ja der „Gesundheitspolizei“ gewachsen.

Kaum Einwände gab es hingegen gegen jene Abschnitte des Gesetzes, die dem Rauchen von E-Zigaretten enge Grenzen ziehen. Mit grellbunten Verpackungen und Geschmacksrichtungen wie Erdbeere oder Vanille hat die Tabakindustrie zuletzt eine zunehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren angefixt. Schon spricht der Kinderärzte-Verband von einer „Epidemie unter Minderjährigen“. Zukünftig dürfen Vapes nur noch in neutraler Verpackung verkauft werden.