Test2Die Gewalt der selbsternannten deutschen „Stadtguerilla“ währte fast 30 Jahre

Test2 / Die Gewalt der selbsternannten deutschen „Stadtguerilla“ währte fast 30 Jahre
17.03.2024, Niedersachsen, Vechta: Teilnehmer halten Plakate mit Namen von durch die RAF ermordeten, bei einer von der CDU Vechta organisierten Kundgebung, hoch. Die CDU rief wegen der parallel stattfindenden Kundgebung "Solidarität mit Daniela" vor der Justizvollzugsanstalt Vechta dazu auf. Das ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette sitzt in der JVA für Frauen in Vechta in Untersuchungshaft. Klette war Ende Februar in Berlin festgenommen worden. Foto: Carmen Jaspersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Carmen Jaspersen/dpa

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Annähernd 30 Jahre dauerte der Kampf der linksterroristischen Rote Armee Fraktion (RAF). Mit Bombenanschlägen und Geiselnahmen versuchte die selbsternannte deutsche „Stadtguerilla“, das von ihr gehasste System zu destabilisieren. Bereits vor rund 26 Jahren erklärte sich die RAF für aufgelöst, ganz beendet ist das blutige Kapitel deutscher Zeitgeschichte aber noch immer nicht: Einige mutmaßliche frühere Mitglieder befinden sich weiter auf der Flucht. Eine der Gesuchten, die mutmaßliche Terroristin Daniela Klette, wurde nun nach Ermittlerangaben in Berlin festgenommen.

Die Anfänge der RAF

Die RAF bildet sich Anfang der 70er Jahre aus radikalisierten ehemaligen Mitgliedern der westdeutschen Studentenbewegung. Sie wähnen sich in einem revolutionären Krieg gegen ein weltumspannendes kapitalistisches und imperialistisches Ausbeutungssystem und seine deutschen Repräsentanten.

Anleihen machen sie bei dem Konzept der sogenannten Stadtguerilla, das ursprünglich in Südamerika im Kampf gegen Militärdiktaturen entwickelt wurde. Ihr Ziel ist es, den Staat durch Anschläge gewaltsam psychologisch zu destabilisieren. Nacheinander bilden sich drei RAF-Generationen heraus.

Erste Anschläge

Die führenden Köpfe der ersten RAF-Generation sind Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Erste Straftaten begeht die von ihnen und anderen gegründete RAF ab 1970, darunter Banküberfälle. Den ersten Mord verübt die Gruppe 1971 an einem Hamburger Polizisten, er stirbt während eines Festnahmeversuchs. Ihr erster Anschlag ist ein Bombenattentat auf ein Hauptquartier der US-Streitkräfte in Frankfurt am Main im Mai 1972, ein US-Soldat stirbt. Das Bekennerschreiben verweist auf den Vietnamkrieg.

Deutscher Herbst

Es folgen weitere Bombenanschläge mit Toten und Verletzten. Bis Mitte 1972 aber befinden sich Baader, Ensslin, Meinhof und weitere Mitglieder der Kommandoebene bereits in Haft. Ihnen wird in einem für diesen Zweck neu errichteten Justizkomplex in Stuttgart-Stammheim der Prozess gemacht.

Parallel zu den Strafverfahren bildet sich aus deren Sympathisantenumfeld die sogenannte zweite Generation der RAF, die logistisch und taktisch eng mit palästinensischen Terrorgruppen aus dem Nahen Osten kooperiert. Sie entfesseln eine massive Terrorwelle, um die RAF-Gründer freizupressen.

Auf dem Höhepunkt des Gewalt erschießt die RAF im Frühjahr und Sommer 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback sowie den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto, dann folgt der sogenannte deutsche Herbst: Die RAF entführt Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, parallel bringen verbündete palästinensische Terroristen das Lufthansa-Flugzeug „Landshut“ in ihre Gewalt.

Die Spezialeinheit GSG9 befreit die Maschine am 18. Oktober 1977 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, Schleyer wird von der RAF ermordet. Parallel dazu begehen Baader und Ensslin in der Haft in Stammheim Suizid.

Die letzte Phase

Die Führungsfiguren der zweiten Generation tauchen anschließend zunächst im Ausland ab, kehren aber allmählich zurück und werden in den folgenden Jahren aufgrund des immensen Fahndungsdrucks gefasst. Ab Mitte der 80er Jahre wird dann die dritte RAF-Generation aktiv. Sie verlagert den Fokus wieder mehr auf Anschläge auf Vertreter des US-Militärs, 1985 gibt es bei einem Bombenanschlag auf eine US-Basis in Frankfurt am Main zwei Tote.

Weiter werden auch Wirtschaftsführer ermordet. Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen stirbt 1989 bei einem Sprengstoffanschlag auf sein Auto. 1991 erschießt ein Scharfschütze der RAF den Chef der Treuhandanstalt, Detlev Rohwedder, in dessen Haus. Er ist das letzte Anschlagsopfer der Gruppe.

Ein Bombenanschlag auf einen unbenutzten Gefängnisneubau ohne Verletzte im hessischen Weiterstadt 1993 ist ihr letztes Attentat, danach wird es still um die Terrorgruppe. Mit einem Selbstauflösungsschreiben, das sie am 20. April 1998 per Post an Medien zustellt, beendet sie ihren Kampf.

Blutige Bilanz und letzte Fahndungen

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft ermordet die RAF während der Jahre ihres Bestehens 34 Menschen. Bei Anschlägen oder Schusswechseln bei Festnahmeversuchen sterben neben den prominenteren Opfern unter anderem niederländische Grenzbeamte, deutsche Polizisten sowie Dienstwagenfahrer und eine Passantin. 26 Prozesse gegen führende Angehörige der RAF enden im Lauf der Zeit mit lebenslangen Haftstrafen, der bislang letzte 1998.

Viele Details aus dem früheren Innenleben der Organisation und zum Ablauf ihrer Anschläge bleiben unbekannt. So wird niemals aufgeklärt, wer genau Buback, Ponto, Schleyer und Herrhausen tötete. Vor allem die dritte RAF-Generation ist bis heute in weiten Teilen nur schemenhaft bekannt.

Zu ihren wenigen überhaupt identifizierten Mitgliedern gehören Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Die drei mutmaßlichen früheren Terroristen bleiben nach der Auflösung der RAF im Untergrund und damit auch weiterhin auf den Fahndungslisten. Für Klette zumindest endete die jahrelange Flucht nun am Montag in Berlin – sie wurde festgenommen.

bro/cfm