FechtenDen Heimvorteil nutzen: Flavio Giannotte will in Differdingen das Olympia-Ticket lösen

Fechten / Den Heimvorteil nutzen: Flavio Giannotte will in Differdingen das Olympia-Ticket lösen
Flavio Giannotte hat zuletzt in Reims und Paris mit unter anderem Olympiasiegern trainiert Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Unter dem Motto „6 Tickets 2 Paris“ beginnt am Freitag die kontinentale Olympia-Qualifikation im Fechten in der „Ecole internationale“ in Differdingen. Während drei Tagen kämpfen insgesamt 126 Fechterinnen und Fechter um die sechs letzten Tickets für die Olympischen Spiele 2024. Pro Waffe und Geschlecht dürfen am Ende lediglich die Gewinner zum sportlichen Höhepunkt nach Paris fahren. 

Für den luxemburgischen Verband (FLE) gehen am Freitag Anna Zens (WR 177) in der Degenkonkurrenz und Eric Kamphaus (WR 896) im Florett an den Start. Am Samstag ist Veronika Goncharova (Florett/nr) im Einsatz. Am Sonntag wird das Interesse, neben Säbelfechterin Salome Berger (WR 313), vor allem auf Flavio Giannotte gerichtet sein. Der Degenspezialist vom Verein Escrime Sud wird in der aktuellen Weltrangliste auf Position 47 geführt und gehört zum Kreis der Favoriten. Das Tageblatt hat mit dem 28-jährigen Luxemburger über seine Saison, die Vorbereitung auf das Turnier und den Leistungsdruck vor eigenem Publikum gesprochen.

Tageblatt: Wie geht es Ihnen so kurz vor dem wichtigsten Turnier der Saison?

Flavio Giannotte: Ich kann mich nicht beschweren. Mir geht es gut und ich bin fit.

Wie ist Ihre Saison bislang gelaufen?

Ich bin ausgezeichnet in die Saison gestartet. Nach meinem 16. Platz bei der Weltmeisterschaft kam ich Ende letzten Jahres beim Weltcup in Vancouver bis ins Achtelfinale und belegte dort am Ende Rang 13. Zum Jahreswechsel war ich drittbester Europäer in der Weltrangliste. Zu diesem Zeitpunkt war die direkte Olympia-Qualifikation über die Weltrangliste greifbar. Ich habe mich danach aber zu sehr unter Druck gesetzt, da ich mir gesagt habe, dass ich die Qualifikation über diesen Weg schaffen muss. Ab dann konnte ich nicht mehr an die vorherigen Leistungen anknüpfen.

Ihr 47. Platz in der Weltrangliste spiegelt Ihr derzeitiges Leistungsvermögen also nicht wider?

Im Laufe der Saison stand ich zwischenzeitlich auf Position 43. Vom Niveau her sehe ich mich eher auf einem Platz um Rang 30.

Wie haben Sie sich auf das Turnier in Differdingen vorbereitet?

Nach dem Weltcup letzten Monat in Georgien habe ich eine Wettkampfpause eingelegt und mehrere Wochen in Italien trainiert. Zuletzt war ich in Reims und Paris, zum Feinschliff. Dort habe ich auf allerhöchstem Niveau trainiert. u.a. mit dem amtierenden Olympiasieger Romain Cannone (WR 4) und dem mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger Yannick Borel (WR 6). Gegen diese Weltklassefechter habe ich taktisch erstaunlich gut agiert und konnte sie teils deutlich schlagen. Derzeit ist es für mich schwieriger, gegen mittelgute Gegner anzutreten, deren Fechtstil nicht so sauber und daher weniger vorhersehbar ist.

Nach welchem Turnier-Modus wird in Differdingen gefochten?

Jedes europäische Land, das sich nicht mit der Mannschaft für die Spiele qualifiziert hat, darf seinen besten Fechter zum Turnier schicken. Der Gewinner – und nur der Gewinner – darf nach Paris fahren. Im Degenfechten sind 31 Sportler eingeschrieben. Alexis Bayard (SUI/WR 22), Yulen Pereira (SP/WR 28) und Miguel Frazao (POR/WR 29) sind für die Hauptrunde gesetzt. Die restlichen Fechter treten in vier Siebener-Gruppen gegeneinander an, um sich für die Direktausscheidung zu qualifizieren. Das Schwierigste wird sein, aus der Gruppe herauszukommen. Dazu benötigt man mindestens zwei Siege. Danach ist alles drin.

Wie sehen Sie Ihre Sieg-Chancen?

Sämtliche Teilnehmer kennen sich untereinander. In Europa ist die Konkurrenz im Degen enorm, sodass 15 bis 20 Teilnehmer für den Sieg infrage kommen. Vom Training her bin ich bestmöglich vorbereitet. Zusammen mit Michel Colling (Nationaltrainer) haben wir sämtliche Gegner per Video analysiert. Zudem werde ich mir kurz vor dem Turnier die Duelle, in denen ich richtig gut gefochten habe, noch einmal anschauen.

Sie fechten nicht nur vor eigenem Publikum, sondern auch in der Halle, in der Sie tagtäglich ihrem Beruf als Sportlehrer nachgehen. Mehr Heimrecht geht nicht?

Das stimmt. Der Verband hat mich vor einem Jahr gefragt, ob es für mich in Ordnung wäre, anzufragen, das Qualifikationsturnier in Luxemburg zu organisieren. Ich dachte mir: Wenn du etwas erreichen willst, das du bisher noch nicht geschafft hast, musst du neue Wege ausprobieren. Da es keine Zuschauertribünen gibt, wird das Publikum sehr nahe am Geschehen dran sein, was für mich nicht unbedingt von Nachteil sein muss, da ich etwas „Show“ beim Wettkampf brauche. Die Tatsache, dass ich die Halle in- und auswendig kenne, ist natürlich auch von Vorteil.

Du musst mit dem Willen zu gewinnen und nicht mit der Angst zu verlieren antreten

Welche Faktoren werden am Sonntag den Unterschied ausmachen?

Am Ende wird nicht unbedingt der beste Fechter oben stehen. Mitentscheidend wird sein, bestmöglich mit dem Druck umzugehen. Alle haben während vier Jahren hart trainiert, um das Ziel Olympia zu erreichen. Du musst mit dem Willen zu gewinnen und nicht mit der Angst zu verlieren antreten. Zugleich kommt es auf das Spiel des Gegners an. So liegen mir verschiedene Fechter, die im Ranking vor mir stehen, besser als andere. Hinzu kommt dann noch ein Parameter, auf den man keinen Einfluss hat – und zwar der Faktor Glück.

Was würde die Olympia-Qualifikation für Sie bedeuten?

Meine Motivation ist riesig. Seit meiner Kindheit trainiere ich, um den Traum Olympia zu verwirklichen. Im Gegensatz zu den vorigen Jahren habe ich mittlerweile eine gewisse innerliche Ruhe gefunden, da ich weiß, dass ich definitiv das Niveau habe, um mit den Weltbesten mitzuhalten. Deshalb würde es für mich auch nicht so dramatisch sein, wenn ich es nicht schaffe. Leider haben die guten Fechter aus den kleinen Nationen nicht die Möglichkeit, sich automatisch über das Team zu qualifizieren. Im Falle einer Qualifikation würde ich den Flieger am Montag nach Cali wahrscheinlich nur auf allen Vieren erreichen (lacht). Ich würde mir zutrauen, in Paris eine Medaille zu gewinnen.

Wie geht es nach dem Turnier für Sie weiter?

Es stehen noch drei Turniere auf dem Programm, die allerdings nicht mehr für die Olympia-Qualifikation gewertet werden. Nach den Weltcups von Cali (COL) und Paris schließe ich die Saison mit der Europameisterschaft ab. Meine Motivation ist intakt und ich glaube, dass ich mein Maximum noch nicht erreicht habe. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werde ich die nächsten vier Jahre in Angriff nehmen.

Das Programm

Am Freitag:
10.00: Gruppe Männer Florett
12.00: Gruppe Frauen Degen
16.30: Halbfinale Männer Florett
17.30: Halbfinale Frauen Degen
19.00: Finale Männer Florett
19.30: Finale Frauen Degen

Am Samstag:
10.00: Gruppe Männer Säbel
11.00: Gruppe Frauen Florett
16.30: Halbfinale Männer Säbel
17.30: Halbfinale Frauen Florett
19.00: Finale Männer Säbel
19.30: Finale Frauen Florett

Am Sonntag:
10.00: Gruppe Frauen Säbel
10.00: Gruppe Männer Degen
16.00: Halbfinale Frauen Säbel
17.00: Halbfinale Männer Degen
18.00: Finale Frauen Säbel
19.00: Finale Männer Degen