EnergiearmutZahl der Stromabschaltungen ging 2023 leicht zurück

Energiearmut / Zahl der Stromabschaltungen ging 2023 leicht zurück
Strom: ein kostbares Gut, ohne das (fast) nichts mehr geht Foto: Guido Romaschewsky

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Steigende Energiekosten führten in den vergangenen Jahren verstärkt zu Energiearmut. 2023 wurden (vorläufigen) Zahlen des „Institut national de régulation“ (ILR) zufolge in 12.025 Fällen die Sozialämter wegen Stromrechnungen, die nicht bezahlt werden konnten, informiert. In 1.282 Fällen wurde der Strom tatsächlich abgeschaltet. Gegenüber 2022 hat sich die Situation damit leicht entschärft; damals waren es noch 12.211 Dossiers und 1.303 Abschaltungen. Etliche Abschaltungen könnten vermieden werden, wenn sich die Betroffenen rechtzeitig bei ihren Sozialämtern melden würden, da diese in der Regel helfen.

Mitte März in Differdingen: In einem Haus, wo zwei Familien wohnen, darunter eine schwangere Frau sowie die Mutter eines Kleinkindes, wurde der Strom abgestellt. Wie sich später herausstellte, war beim Energieversorger kein Privathaushalt angemeldet, sondern eine Firma. „Hätten wir gewusst, dass dort zwei Familien wohnen, hätten wir den Strom nicht abschalten lassen, was auch vom Gesetz her ja nicht so einfach ist“, sagt Claude Simon, Pressesprecher von Enovos, dem Tageblatt. „Wir waren der Meinung, es handele sich dabei um einen kommerziellen Kunden.“ Nachdem ausstehende Rechnungen (die Mieter waren der Meinung, der Vermieter regele die Stromrechnungen) beglichen wurden, gab es innerhalb kurzer Zeit wieder Strom im Haus.

In diesem Fall handelt es sich zwar um ein Missverständnis, allerdings sind Stromabschaltungen nicht so selten, wie man glauben könnte. Laut einem Bericht der luxemburgischen Regulierungsbehörde ILR wurde 2022 in 1.303 Fällen der Strom abgeschaltet; die Anzahl der Fälle, in denen es Probleme mit den Rechnungen gab, liegt weitaus höher. Ehe der Strom tatsächlich in einem Privathaushalt abgeschaltet wird, wird das Sozialamt der jeweiligen Gemeinde in Kenntnis gesetzt, das dann die Rechnungen übernehmen kann, falls die Privatpersonen finanziell nicht dazu in der Lage sind.

2022 gingen in 12.211 Fällen dementsprechende Informationen an die Sozialämter; in 1.482 Fällen wurde beim Netzbetreiber eine Stromabschaltung beantragt und, wie bereits erwähnt, in 1.303 Fällen auch durchgeführt. Die Zahlen für 2023, die das Tageblatt auf Anfrage hin vom ILR erhielt, sehen nur leicht besser aus: Voriges Jahr wurden in 12.025 Fällen die Sozialämter über Zahlungsschwierigkeiten in Kenntnis gesetzt. Abgeschaltet wurde der Strom tatsächlich in 1.282 Fällen.

Laut dem Tätigkeitsbericht des ILR über den Strom- und Gassektor im Jahr 2022 kam es zwischen 2021 und 2022 zu einem Anstieg der Abschaltungen um 50 Prozent; die Anzahl der Dossiers, die an die jeweiligen Sozialämter weitergeleitet wurden, stieg sogar um 58 Prozent. Das ILR relativiert aber den starken Anstieg der Abschaltquote. Die steigenden Energiepreise hätten zwar durchaus etliche Kunden in die Lage versetzt, dass sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten, was allerdings nicht immer die Ursache sei: So nutze ein Stromanbieter seit 2022 innerhalb des gesetzlichen Rahmens verstärkt die Möglichkeiten intelligenter Stromzähler für die Abschaltungen; vor 2022 habe dieser Anbieter stets versucht, Abschaltungen mittels Pfändungen und Zahlungsbefehl zu vermeiden.

Das Gesetz vom 3. Februar 2021 über Zahlungsunfähigkeit sieht eine bestimmte Prozedur vor, bevor der Strom effektiv abgeschaltet wird. Nach dem Fälligkeitsdatum der Rechnung erhält der Kunde eine erste Mahnung. Zwei Wochen nach der ersten wird eine zweite Mahnung geschickt, mit dem Hinweis, dass nach 30 Tagen der Strom abgeschaltet werde. Für den Fall, dass es sich um einen Privatkunden handelt, erhält dieser bei der gleichen Gelegenheit eine Information über das zuständige Sozialamt, an das er sich wenden kann, um gegebenenfalls die vom Gesetz vorgesehene Unterstützung zu erhalten.

Zahlungspläne gang und gäbe

Wie aus einer Antwort vom früheren Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) auf eine parlamentarische Frage von Myriam Cecchetti („déi Lénk“) hervorgeht, würden manche Stromanbieter noch eine dritte oder gar vierte Mahnung verschicken und gegebenenfalls direkten Kontakt zum Kunden aufnehmen, um eine Einigung zu erzielen. Der Pressesprecher von Enovos bestätigt diese Vorgehensweise für seinen Betrieb: „Nach einer dritten oder vierten Mahnung geht jemand persönlich zum Kunden, um mit ihm eine Lösung zu finden. Zahlungspläne für Privatkunden in Schwierigkeiten sind bei uns gang und gäbe.“

Es sind die Stromanbieter, die beim Netzbetreiber schließlich eine Abschaltung beantragen, falls das zuständige Sozialamt dem Kunden nicht helfen sollte.

Das geschehe in der Praxis allerdings selten, sagt uns die Sozialschöffin der Gemeinde Strassen, Betty Welter-Gaul (LSAP). „Wendet sich jemand an die Gemeinde, weil er seine Strom- oder Gasrechnung nicht bezahlen kann, übernimmt das Sozialamt das in der Regel, es sei denn, die betroffene Person verweigert jede Zusammenarbeit. Was allerdings öfters vorkommt, ist, dass die Leute sich sehr spät an uns wenden, erst wenn der Strom bereits abgeschaltet ist. Deshalb sagen wir den Menschen gegebenenfalls: Kommt so früh wie möglich zu uns, wenn Ihr ein solches Problem habt.“

* Um keine Verwirrung zu stiften, geben wir die Zahlen bezüglich des Gassektors hier gesondert an: 2022 wurden 2.158 Dossiers an die Sozialämter weitergeleitet, in 193 Fällen kam es zu einer Abstellung der Gaszufuhr. 2023 waren es 2.991 Dossiers, allerdings nur 166 Abschaltungen.