RegierungsflügePrivatjets und Parteipolitik – Ungereimtheiten bei Antwort auf parlamentarische Frage

Regierungsflüge / Privatjets und Parteipolitik – Ungereimtheiten bei Antwort auf parlamentarische Frage
Luc Frieden am vergangenen 7. März beim EVP-Kongress in Bukarest – für die Regierung oder für die Partei unterwegs? Foto: csv.lu

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Wann und wie dürfen beziehungsweise sollen Regierungsmitglieder auf Privatjets bei Dienstreisen zurückgreifen? Die Antwort auf eine parlamentarische Frage offenbart zweierlei. Die Regeln scheinen frei interpretierbar. Und die Kosten kaum bezifferbar.

Der Staat ist kein Sparverein und Regierungsmitglieder haben einen engen Terminkalender, der sie zudem oft ins Ausland führt. Auch Privatjets werden so nicht selten zum Transportmittel der Wahl. In den vergangenen fünf Jahren ließen sich Regierungsmitglieder 62-mal in Privatjets durch die Lüfte kutschieren. Gesamtkosten: rund 620.000 Euro.

Das erfuhr man vergangene Woche in der Antwort von Premier Luc Frieden (CSV) auf eine parlamentarische Frage, die Marc Goergen gestellt hatte. Der Piraten-Abgeordnete wollte wissen, wer, wie oft, wann und für wie viel Geld bei Dienstreisen auf einen Privatjet zurückgriff. Die Antwort kommt nicht ohne Ungereimtheiten aus.

So sind 37 der 62 Flüge in Privatjets mit einem Kostenpunkt von „0 Euro“ angegeben – das ist immer dann der Fall, wenn ein Flug über das EATC/Atares-Programm durchgeführt wird.

Umsonst, wirklich?

Bei diesem Austausch-System von Flugstunden zwischen NATO-Staaten, ausgeschrieben: „European Air Transport Command“, helfen sich die Staaten gegenseitig. Die Flugstunden sind als Währung zu verstehen. Luxemburg bezahlt mit seinen Beteiligungen am Militärflieger A400 M und an der internationalen Flotte an Lösch- und Transportflugzeugen des Typs A330-MRTT. Wofür das Großherzogtum wiederum Flugstunden erhält, die der Luxemburger Staat für Flüge nutzen kann. Umsonst sind diese Flüge demnach nicht. Allein die Beteiligung an den Betriebskosten beläuft sich auf jährlich rund 30 Millionen Euro. Kosten, die in das Budget des Verteidigungsministeriums fallen. Den genauen Wert einer dieser Flugstunden zu ermitteln, scheint kaum möglich. Nur umsonst sind sie nicht.

Die EATC-Internetseite wirbt für das Atares-Programm unter anderem mit folgenden Verwendungsmöglichkeiten: Ein belgischer Hubschrauber, der von einem spanischen A400M transportiert wird; eine französische C130J, die einen Fallschirmabwurf nach Deutschland durchführt; ein luxemburgischer Learjet, der eine aeromedizinische Evakuierung für einen in einem Krisengebiet verwundeten italienischen Soldaten durchführt.

Luxemburg nutzt das Programm vor allem dann, wenn die Regierung (oder der Großherzog) auf Flüge in Privatjets zurückgreift. Wie aus der Antwort auf eine andere parlamentarische Frage hervorgeht, wurden in den vergangenen vier Jahren 214,5 dieser Flugstunden für Regierungsflüge benutzt, aber nur 132 für Zwecke der EATC wie Transport- oder Evakuierungsflüge.

Für das Jahr 2024 weist die Antwort auf die parlamentarische Frage drei solcher „Gratisflüge“ für das Staatsministerium aus (und einen für die Défense). Am 8. Januar ging es für Frieden zum Antrittsbesuch nach Berlin, am 4. März zu einem Arbeitsbesuch nach Rotterdam und am 6. März flog der Premier in die rumänische Hauptstadt Bukarest zu einem Arbeitsbesuch beim rumänischen Präsidenten. Aber nicht nur. Am 7. März fand, ebenfalls in Bukarest, der Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) statt, zu der Friedens CSV gehört.

Ausnahmefälle …

Europas Christdemokraten kürten dort EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahlen. Frieden selbst hielt eine Rede und ließ sich mit von der Leyen und weiteren EVP-Größen zusammen auf der Bühne ablichten. Auch andere CSV-Politikerinnen und -Politiker waren zu dem europäischen Treffen konservativer Parteien angereist. Nach dieser Parteiangelegenheit flog Frieden im EATC/Atares-Programm wieder zurück nach Luxemburg, wo er am Abend bei der Feier für 100 Jahre „Chambre des métiers“ erwartet wurde.

In Friedens Antwort auf die parlamentarische Frage steht, dass Mitglieder der Regierung „in der Regel“ mit dem effizientesten Transportmittel reisen. In Ausnahmefällen könnten sie auch auf Privatflugzeuge zurückgreifen. Besonders dann, wenn es keine Linienflüge gebe oder die Situation es aufgrund nationaler oder internationaler Verpflichtungen erfordere. Inwiefern diese Flugstunden für Zwecke der Regierung oder der EATC eingetauscht werden müssen und wofür sie nicht genutzt werden dürfen oder sollten, steht nicht in der Antwort. Wenn der zulässige Nutzungsbereich aber von der Rettung eines verletzten italienischen Soldaten aus einem Krisengebiet bis zum Flug zu Parteiterminen in europäischen Hauptstädten reicht, scheint der Spielraum sehr groß.