Sexuelle GesundheitMinisterium veröffentlicht Daten zu Geschlechtskrankheiten in Luxemburg

Sexuelle Gesundheit / Ministerium veröffentlicht Daten zu Geschlechtskrankheiten in Luxemburg
Zwischen April und Dezember des letzten Jahres ließen Frauen in Luxemburg sich 390 Hormonimplantate und 2.934 Spiralen einsetzen. 98 wählten die definitivere Tubenligatur. HENADZY - stock.adobe.com

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Zwei parlamentarische Anfragen von LSAP und Grüne bringen etwas Licht ins Dunkel der sexuellen Gesundheit der Bürger. Besorgniserregend: Ansteckungen mit Geschlechtskrankheiten nehmen zu. Kostenlose Verhütungsmittel erreichen immer mehr Luxemburger – bis auf Kondome.

Der Staat übernimmt seit dem 1. April 2023 die Kosten für Verhütungsmittel und alle damit verbundenen medizinischen Vorgänge: Beratungsgespräche, Vor- und Nachuntersuchungen oder die Behandlung von Komplikationen. Nun hat die Regierung die Zahlen für die ersten Monate der Kostenübernahme veröffentlicht. Von April bis Dezember 2023 wurden Verhütungsmittel für 48.301 Versicherte kostenlos bereitgestellt. Die Ausgaben der Staatskasse belaufen sich auf etwa 4,3 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der LSAP hervor.

Die nationale Gesundheitsversicherung CNS übernimmt die Kosten zunächst und rechnet sie jährlich mit dem Staat ab, der die Beträge zu hundert Prozent erstattet. Das entsprechende Gesetz brachte die vorherige Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) auf den Weg.

Insgesamt durchliefen 3.684 Personen eine ärztliche Behandlung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsverhütung. Zwischen April und Dezember des letzten Jahres ließen Frauen in Luxemburg sich 390 Hormonimplantate und 2.934 Spiralen einsetzen. 98 wählten die definitivere Tubenligatur. Im gleichen Zeitraum entschieden sich nur 262 Männer für eine Vasektomie. Für die Eingriffe und die medizinischen Begleitkosten stellte der Staat etwa eine Million Euro bereit. 

Für die Verhütungsmittel bezahlte der Staat 3,3 Millionen Euro. Davon profitierten 46.442 Personen. Über 25.000 Personen nahmen kombinierte Östrogen/Progestin-Pillen und 10.500 Personen reine Progestin-Pillen in Anspruch. Damit sind Verhütungspillen die mit Abstand am häufigsten genutzte Methode, die vom Staat übernommen wird. Unter die übernommenen Mittel fallen die Antibabypille, die Minipille, die Pille danach, das Verhütungspflaster, der Verhütungsring, die Verhütungsspritze, das Verhütungsimplantat und die Spirale.

Wie viele Luxemburger Kondome benutzen, bleibt allerdings auch für das Ministerium ein Geheimnis. Diese werden als das einzige Verhütungsmittel nicht übernommen. Dabei sind Verhütungsmittel aus Latex sehr sicher und schützen als einzige Methode nicht nur vor einer ungewollten Schwangerschaft, sondern auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Organisation „Planning familial“ fordert eine kostenlose Abgabe auch dieser Verhütungsmittel – und zwar in allen Ausführungen. Latexprodukte für Safer Sex gibt es für Männer (extern), Frauen (intern) und die oberflächliche Anwendung (Latextuch). Auf Anfrage des Tageblatt erklärte „Planning familal“, dass der Gebrauch von Kondomen noch lange nicht systematisch sei.  

Mpox in Luxemburg angekommen 

Dies könnte zumindest eine Erklärung für den Anstieg sexuell übertragbarer Krankheiten („maladies sexuellement transmissibles“ – MST) sein. Für das Jahr 2022 liegen nach einer parlamentarischen Anfrage der Grünen nun Daten vor. Die Zahlen für 2023 werden laut der Regierung aktuell ausgewertet. In Luxemburg sind Ärzte und medizinische Labore verpflichtet, Infektionen von acht sexuell übertragbaren Krankheiten zu melden. Die meldepflichtigen Krankheiten sind Chlamydien, Gonorrhö, Syphilis, HIV, Hepatitis (A, B, C) und Mpox. Sexuell übertragbare Krankheiten werden so genannt, weil die Infektion am häufigsten auf sexuellem Wege erfolgt. Andere Übertragungsweisen sind jedoch ebenfalls möglich. 

Syphilis-Fälle gingen im Jahr 2022 leicht zurück. Eine neu in die Meldepflicht aufgenommene Krankheit ist Mpox, das in den ersten Monaten nach seiner Entdeckung als „Affenpocken“ bezeichnet wurde. Die virale Infektionskrankheit wird durch Schleimhautkontakt oder Tröpfcheninfektion übertragen, weshalb sie als meldepflichtige sexuell übertragbare Krankheit aufgenommen wurde. Im Jahr 2022 wurden in Luxemburg 56 Fälle registriert.  

Chlamydien und Gonorrhö seit Jahren im Anstieg 

Für 2022 wurde ein Anstieg von Chlamydien und Gonorrhö verzeichnet. Die Infektionen mit Gonorrhö sind um etwa 60 Fälle auf insgesamt 475 angestiegen. Die Krankheit wird durch Gonokokken-Bakterien verursacht und ist bei Schleimhautkontakt stark ansteckend. Symptome der gemeinhin als Tripper bezeichneten Krankheit sind Entzündungen im Genitalbereich und der Körperöffnungen, die zu Schmerzen beim Urinieren führen können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Gonorrhö mit etwa 87 Millionen Fällen als die weltweit dritthäufigste Geschlechtskrankheit ein. Laut „Planning familial“ ist die Krankheit seit einigen Jahren in ganz Europa auf dem Vormarsch. 

Chlamydien-Infektionen haben im Vergleich zum Vorjahr um 400 Fälle auf insgesamt 1.527 zugenommen. Die ebenfalls auf Bakterien zurückzuführende Erkrankung geht mit ähnlichen Symptomen wie die Gonorrhö einher. Viele Fälle bleiben jedoch aufgrund eines leichten Verlaufs unerkannt. Vor allem bei jungen Menschen sind Chlamydien die häufigste Geschlechtskrankheit. 

Keine nationale Erhebung zu sexueller Gesundheit geplant 

Weder die Regierung noch „Planning familial“ können den Anstieg der Infektionen eindeutig erklären. Laut „Planning familial“ kommen viele Erklärungen in Betracht, angefangen bei einer mangelhaften Sexualerziehung über neue Sexualpraktiken bis hin zu einem Anstieg der Vorsorgeuntersuchungen. Um endlich Licht ins Dunkel zu bringen, sollte die Regierung regelmäßige Erhebungen zur sexuellen Gesundheit durchführen, fordert die Organisation. Damit könne man öffentliche Gesundheitskampagnen auf zuverlässige Daten stützen. „Planning familial“ fordert eine solche Erhebung bereits seit 15 Jahren – bislang ohne Erfolg. Laut der Antwort der Regierung auf die parlamentarische Anfrage werde zurzeit „überlegt“, eine nationale Erhebung „in den kommenden Jahren“ einzuführen. 

Abgesehen davon sei der Zugang zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen nicht ausreichend. Gemäß einer Empfehlung der WHO könne auch ein System zur anonymen Benachrichtigung ehemaliger und aktueller Sexualpartner helfen, um diesen ohne negative Auswirkungen auf die ansteckende Person eine Vorsorge oder Behandlung zu ermöglichen. 

Fest steht, so „Planning familial“, dass es unter Jugendlichen eine starke Unkenntnis und Tabuisierung hinsichtlich Geschlechtskrankheiten gebe. Die Sexualerziehung müsse dringend verbessert werden. Dabei dürfe man sich nicht nur auf HIV konzentrieren, sondern brauche einen umfassenden, positiven Ansatz. Zudem gebe es immer noch Vorbehalte gegen eine obligatorische Sexualkunde und eine entsprechende Schulung des Lehrpersonals. 

In Bezug auf die kostenlose Abgabe von Kondomen verweist die Regierung darauf, dass staatlich geförderte Organisationen – wie eben „Planning familial“ – bereits jetzt Kondome kostenlos in Schulen oder auch auf Festivals verteilen. Zudem soll Ende dieses Jahres eine Sensibilisierungskampagne zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten starten. Es wird also keine kostenlose Kondom-Abgabe, keine obligatorische Sexualerziehung und keine Datenerhebung geben. Die Zahlen steigen, doch die Mittel bleiben die gleichen.