EditorialHei elei, Chamber-Monologei: Warum die Budget-Debatte nur wenige zu interessieren scheint

Editorial / Hei elei, Chamber-Monologei: Warum die Budget-Debatte nur wenige zu interessieren scheint
Muss eigentlich nicht allzu oft bei den Chamber-Debatten eingreifen: Parlamentspräsident Claude Wiseler Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Chamber hat in dieser Woche die Aufgabe, die Haushaltsvorgabe für das restliche Jahr zu stimmen. Eine anregende Debatte über die finanzielle Lage der Nation, in der sich die politischen Visionen aus den verschiedenen Lagern aneinander reiben, findet jedoch nicht statt. Stattdessen wurde wieder nur endlos monologisiert. Eine Reform für die Chamber kann nicht früh genug kommen.

„Order! Orderrrrrrr!“ Die Rufe des ehemaligen Sprechers des britischen Unterhauses John Bercow haben in Großbritannien Kult-Charakter. Zahlreiche Filmmitschnitte zeugen vom energischen Sprecher, der immer dann einschritt, wenn es im britischen Unterhaus wieder zu hoch herging. Szenen, in denen die Politiker in der Chamber aufstehen und sich durch den ganzen Saal nach britischem Vorbild anschreien, gibt es in Luxemburg eigentlich keine. Wenngleich der Unterhaltungswert mit einem „Ueeeeeerdnung“ schreienden Claude Wiseler oder Fernand Etgen definitiv ansteigen würde.

Dass es dazu gar nicht erst kommt, liegt am Chamber-Reglement. Dieses sieht vor, dass die politischen Fraktionen nacheinander mit ihren Beschwerden und Anregungen ans Rednerpult dürfen. Zwischenfragen gibt es kaum welche, Unterbrechungen nur dann, wenn sich ein anderer Politiker persönlich angegriffen fühlt. Frontalunterricht statt Diskussionsrunde.

150 bis 220 Personen haben laut Chamber-Pressestelle die Budgetdebatte am Mittwochmorgen über den Livestream der Webseite verfolgt. In der Mittagsstunde sei diese Zahl dann „signifikant“ gesunken. In regulären öffentlichen Sitzungen seien meist um die 150 Personen, die die Chamber-Debatte verfolgen würden, in großen Momenten wie der Rede zur Lage der Nation seien laut Chamber aber auch schon mal 1.500 Zuschauer im Stream. Geht man davon aus, dass die Mitarbeiter der politischen Parteien und Fraktionen die Debatte live verfolgen, ist das Interesse in der Bevölkerung am „wichtigsten Gesetzentwurf des Jahres“ jedoch relativ gering – ohne genau zu wissen, wie viele Bürger die Debatte vor dem Fernseher verfolgt haben.

Das darf eigentlich auch nicht weiter verwundern, wenn die Highlights der Chamber aus der vergangenen Legislaturperiode an einem (Stinke-)Finger abgezählt werden können. Inhaltlicher Natur waren diese nämlich nicht. Und auch bei der diesjährigen Debatte waren teilweise vergessene Reden, von Oppositionsparteien im Namen der Regierung eingereichte Motionen und aus dem historischen Kontext gerissene Anekdoten aus der Fernsehsendung „Hei elei, kuck elei“ von vor 30 Jahren die erinnerungswürdigsten Momente.

Wie wäre es also mit ein bisschen mehr Show in der Chamber? Natürlich soll und darf die altehrwürdige Institution nicht zu einer Highlight-Reel-Shitshow für Instagram, TikTok und Co. verkommen. Ziel sollte noch immer die politische Debatte – und nicht der Monolog – sein. Warum also nicht doch vielleicht Inspiration im britischen Unterhaus suchen und beispielsweise die „Questions to the Prime Minister“ (Fragen an den Premierminister) in Luxemburg einführen? Offene Rededuelle zwischen Regierung und Opposition würden der Bezeichnung Chamber-Debatte eher gerecht werden als die von parlamentarischen Mitarbeitern zusammengeschriebenen Referate mit Schulcharakter, die nacheinander vorgelesen werden.

Claude Wiseler hat bereits angekündigt, die Chamber modernisieren zu wollen. Mit den Livestreams der Chamber-Kommissionen hat der reformwillige Parlamentspräsident bereits abgeliefert. Warum nicht auch versuchen, die Chamber-Debatten etwas lebhafter zu gestalten? Davon hätte jeder etwas – außer vielleicht Wiselers Stimmbänder.