MEP2024Gemeinsam für Europa: Ein Planspiel simuliert das Europaparlament

MEP2024 / Gemeinsam für Europa: Ein Planspiel simuliert das Europaparlament
Während einer kurzen Pause posen die Teilnehmer des Model European Parliament für ein Gruppenfoto Foto: Editpress/Julien Garroy

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Über 120 Schülerinnen und Schüler bevölkern vom 17. bis 19. April das Forum Geesseknäppchen. Die diesjährige Ausgabe des Planspiels Model European Parliament geht in die letzte Runde. Die Teilnehmer müssen ihre Arbeit der vergangenen Tage vor dem Plenum verteidigen.

Es ist 10.30 Uhr, das Parlament ist bereits seit zwei Stunden im Arbeitsmodus. Nach der Ankunft der Delegierten und einer kurzen Begrüßung starteten die ersten Abstimmungen im Plenum. Die Parlamentarier – herausgeputzt in Anzügen und hochformaler Kleidung – sitzen beisammen, blicken angestrengt auf Dokumente, huschen von Gruppe zu Gruppe, stimmen ab. Hier geht es um was, das merkt man allen Anwesenden an. Die Parlamentspräsidenten des Model European Parliament (MEP), Marie Necsa und Sam Elsey, haben sich monatelang auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie können nur wenige Minuten entbehren. Routiniert werden schnell ein paar Fotos geschossen, dann sind sie bereit, um der Presse zwischen Tür und Angel ein paar Fragen zu beantworten. 

Obwohl es ein Planspiel ist, bekommt man einen solch bedeutenden Job nicht einfach so. In den letzten Jahren haben Necsa und Elsey zunächst als Abgeordnete Erfahrungen gesammelt. Erst danach kann man Präsident eines Komitees werden. Aus diesem Kreis heraus werden dann die Parlamentspräsidenten gewählt. Für Marie ist es bereits ihr fünftes MEP, zweimal war sie bereits international unterwegs, in Sofia und Den Haag. Auch Sam war bereits bei internationalen Planspielen dabei. Abgesehen davon ist er der amtierende Vorsitzende des luxemburgischen Jugendparlaments und des Schülerkomitees am Lycée Aline Mayrisch. 

Stolze Parlamentspräsidenten: Marie Necsa und Sam Elsey
Stolze Parlamentspräsidenten: Marie Necsa und Sam Elsey Foto: Editpress/Julien Garroy

Das MEP tagt bereits seit Mittwoch, Freitag ist das Finale des Planspiels. Die Arbeit der letzten Tage, die hauptsächlich in den Komitees und Ländergruppen stattfand, wird heute im Plenum abgestimmt. Schon zwei Komitees haben bereits ihre Arbeit präsentiert. Es ging um die Verbesserung der Energieeffizienz in der Europäischen Union und um eine Modernisierung des Vertrags von Amsterdam. Für die Anträge wurden Für- und Gegenreden gehalten. Als Parlamentspräsidenten haben sie und Sam die Diskussion moderiert, berichtet Marie. Jedoch habe nur einer der beiden Anträge eine Mehrheit erreicht, ergänzt Sam. Es werde stark debattiert. „Es ist ein richtiger Kampf, wo es dann auch Konsequenzen gibt“, berichtet der Präsident. Innerhalb von drei Tagen seien die Delegierten von Amateuren zu Menschen geworden, die einander attackieren und voller Ambition und Motivation sind. Viele hätten noch keine Ahnung von EU-Politik oder auch dem Reden vor einer Ansammlung von Leuten gehabt. „Das ist schon eine Wandlung in so kurzer Zeit.“ Marie ergänzt: „An diesem Morgen haben sich vom ersten Komitee, wo sich anfangs nicht viele gemeldet haben, auf einmal fast alle gemeldet. Man sieht, wie sie Spaß daran haben.“

Ein Safe-Space für Politikeinsteiger 

Der Großteil der Jugendlichen übernimmt bei dem Planspiel die Rolle eines Abgeordneten. Zu zweit vertreten sie jeweils einen EU-Mitgliedstaat. Das bedeutet, dass sie sich in die politische Situation des Landes einarbeiten und die Voraussetzungen für die Politik ihres Staates kennenlernen. Diese vertreten sie dann gegenüber den Abgeordneten anderer Mitgliedstaaten in Komitees, die den Ausschüssen des EU-Parlaments nachempfunden sind. Fraktionen gibt es hingegen beim MEP nicht. Man will verhindern, dass Parteipolitik das Planspiel beeinflusst.

„Wir besprechen schon sehr viel, was Politik angeht, aber wir wollen nicht, dass es parteipolitisch in eine Richtung geht“, erklärt Sam. Das MEP solle auch etwas für Schüler sein, die vielleicht noch keinen Kontakt mit Politik hatten. „Sie sollen einen ersten Einblick bekommen und dieser soll nicht von irgendwelcher Couleur beeinflusst werden.“

Zwar seien die Abgeordneten den Mitgliedstaaten zugeordnet, jedoch nicht gezwungen, ausschließlich die Perspektive „ihres“ Landes einzunehmen. Andere MEPs seien da strenger. „Unser Ziel ist, dass sie selbst auch die Fragen stellen können, die sie auf dem Herzen haben“, sagt Sam Elsey. Das MEP solle ein Ort sein, wo jeder das herauslassen kann, was er selbst zu Europa denkt. „Aber auf jeden Fall sollten sie mindestens über den Standpunkt ihres Landes informiert sein.“ Kaum hat er die Frage beantwortet, wendet sich Sam wieder zwei seiner Parlamentskollegen zu. Es gibt immer was zu klären.

„Die Themen sind so ausgewählt, dass jeder eine Meinung dazu abgeben kann und wir wissen, dass es viele unterschiedliche Meinungen dazu gibt“, erklärt Präsidentin Marie Necsar. Sie sollten nur innerhalb der EU-Jurisdiktion liegen. Bei der Auswahl der Themen habe sie ihr Europa-Team tatkräftig unterstützt.

Während des dreitägigen Events greifen Marie und Sam den Komiteepräsidenten unter die Arme, springen auch mal ein, wenn diese eine Pause brauchen. „Der Freitag ist unser großer Tag“, sagt Sam. Zwar haben sie bereits die Eröffnungszeremonie geleitet, doch heute müssen sie den ganzen Tag moderieren. „Heißt, wir müssen neutral bleiben und sicherstellen, dass die Debatte gut läuft“, fasst der Präsident seine Aufgabe zusammen. 

Das MEP im Jahr der Europawahl 

Welchen Einfluss hat die anstehende Europawahl auf das MEP? Marie meint, man merke es in den Reden der diesjährigen Gastredner. Die Planspiele begrüßen regelmäßig Angehörige des Europäischen Parlaments, in diesem Jahr waren es Martine Kemp (CSV) und Tilly Metz („déi gréng“). Es habe sie überrascht, dass sie keine Werbung für sich selbst gemacht haben, erzählt Necsar. „Sie haben mehr die Europawahlen gepusht, weil es wichtig ist, dass jeder wählt.“ Unter ihren Mitschülern, die nicht am MEP teilnehmen, gebe es generell noch kein großes Interesse an der Wahl. Bei den Chamber-Wahlen des vergangenen Jahres gab es etwas Aufmerksamkeit, dem sei nun nicht so. Auch Sam Elsey bedauert, dass die Europawahl erst jetzt so langsam thematisiert werde. Die Fristen, um sich für die Wahl zu registrieren, seien bereits abgelaufen, was beispielsweise für ausländische Wahlberechtigte in Luxemburg ein Problem sei. Leute, die erst jetzt von der Europawahl erfahren, hätten trotz Interesse keine Möglichkeit mehr, an der Wahl teilzunehmen. 

Was ist das MEP?

Beim Model European Parliament (MEP) geht es nicht um eine Miss-Wahl. Die Planspiele simulieren das Europaparlament. Sie werden regelmäßig in vielen Mitgliedstaaten der EU veranstaltet und sollen Schülerinnen und Schüler die Prozesse eines Parlaments näherbringen. Die MEPs finden auf nationaler und internationaler Ebene statt. In Luxemburg wird das jährliche Event von Lehrerinnen und Lehrern des Lycée Aline Mayrisch organisiert. 

Ein voller Erfolg – inhaltlich wie sozial

„Das war sehr cool. Ich bin sehr stolz darauf, was wir aufgebaut haben und ich würde es genauso wieder machen“, sagt Sam mit Blick auf die Neuerungen dieses Jahres. Erstmals wurde die Veranstaltung um einen Tag verlängert, um den teilweise internationalen Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich kennenzulernen. Durch gemeinsame Spiele und ein buntes Abendprogramm habe sich die Gruppe dieses Jahr viel mehr nach einer Gemeinschaft angefühlt. „Ich glaube auch, dass es sehr gut gelaufen ist“, bekräftigt Marie. 

Der Tisch mit kleinen Stärkungen für die Delegierten, den die Organisatoren im Foyer aufgebaut haben, ist restlos leergefuttert. Gleich geht es weiter. Nicht nur die Präsidenten wissen, dass sie in diesen drei Tagen Erfahrungen gesammelt haben, die sie ihr Leben lang begleiten werden. Die Schülerinnen und Schüler nehmen dieses Planspiel ernst, deshalb wird auch noch am dritten Tag stundenlang gearbeitet. Im Laufe des Tages werden noch die Anträge aus vier weiteren Komitees vorgestellt.

Neben Dutzenden sachlichen und komplexen Vorschlägen stößt man hin und wieder auch auf Humor. Das Komitee für Industrie, Forschung und Energie will die Europäische Raumfahrtagentur unter anderem mit einem Fonds für „Cosmic Unification and Navigation Technology“ unterstützen. Wenn es nach dem Verfassungskomitee geht, soll die europäische Integration durch ein „Neo informative political performative legislative educational system“ gestärkt werden. Dass es sich um ein Planspiel handelt, haben die Jugendlichen trotz der grundsätzlich vorherrschenden Seriosität nicht vergessen. 

Politik als Männerdomäne – auch im MEP? 

Eine letzte Frage an Marie Necsar: Politik ist eine klassische Männerdomäne, auch hier im MEP? „Ich glaube, wenn man sich hier umschaut, glaubt man gar nicht, dass Politik immer noch eine Männersache ist. Es gibt auch ein Komitee, wo viel mehr Frauen als Männer sind, weil sie sich für das Thema einfach interessiert haben. Aber ich glaube, es gibt noch immer Probleme mit ,power dynamics‘. Immer, wenn ich eine Position habe, muss ich ein bisschen gucken, dass die Menschen uns auf dem gleichen Level sehen, weil ich das Gefühl habe, dass es manchmal für einen Mann leichter ist, Autorität über eine Gruppe zu haben“, berichtet die Präsidentin. Menschen neigten unterbewusst dazu, eher auf einen Mann zu hören.

Dennoch mache es ihr Spaß, in Diskussionen zu gehen. „Ich will immer sagen, was ich will, und ich bin auch auf das Level gekommen, weil ich keine Angst habe, zu sagen, was ich will“, sagt Marie selbstbewusst. Aber sie finde es auch wichtig, Kompromisse einzugehen. „Ich bin nicht stur, aber zielstrebig.“