SommerzeitEU nimmt neuen Anlauf zum Ende der Zeitumstellung

Sommerzeit / EU nimmt neuen Anlauf zum Ende der Zeitumstellung
Die Zeitumstellung ist vielen ein Graus Foto: dpa/Marijan Murat

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Ostern werden die Kinder beim Eiersuchen müde aus der Wäsche schauen: Ihnen fehlt, wie allen anderen, eine Stunde Schlaf, weil die Uhren zuvor wieder umgestellt werden. Dabei sollte das seit drei Jahren Geschichte sein. Wer hier blockiert und warum es nun einen neuen Anlauf zur Abschaffung gibt.

Viele Europapolitiker bekommen es im jetzt beginnenden Europawahlkampf zu hören: Was soll diese EU, wenn sie es nicht mal hinkriegt, ihre eigenen Beschlüsse umzusetzen und den bei fast allen Europäern unbeliebten Wechsel von Winter- auf Sommerzeit und wieder zurück, endlich abzuschaffen? Die Bewerber um ein Abgeordnetenmandat können darauf nur antworten, dass es eben nicht die zur Wahl stehenden Institutionen sind, die hier auf der Bremse stehen, denn Parlament und Kommission wollten spätestens 2021 den letzten Wechsel und dann für immer nur noch Winter- oder Sommerzeit. Doch die Mitgliedstaaten können sich weder auf das eine noch auf das andere verständigen.

Das hängt letztlich mit der europäischen Geografie und dem Stand der Erde zur Sonne zusammen. Gäbe es nur noch Winterzeit, ginge in Polen im Juni um drei Uhr die Sonne auf. Gäbe es nur noch Sommerzeit, wäre in Portugal im Dezember erst um zehn Uhr Sonnenaufgang. Deshalb wollen zwar die EU-Staaten dem Wunsch ihrer Bevölkerung grundsätzlich folgen und die Umstellung einstellen. Doch die einen glauben, nur mit ganzjähriger Sommerzeit leben zu können, die anderen nur mit ganzjähriger Winterzeit.

Viele Länder außerhalb Europas muten ihren Menschen den Wechsel längst nicht mehr zu. Von China bis Argentinien, von Japan bis Brasilien, von Russland bis Mexiko, von der Türkei bis Indien ist der halbjährliche Wechsel längst Geschichte. Er war vor allem damit begründet worden, dass sich dadurch Energie sparen lasse. So wurde die Sommerzeit im Deutschen Reich erstmals 1916 eingeführt, um im Ersten Weltkrieg mehr Strom für die Rüstungsindustrie zu haben. Nach dem Krieg wurde das wieder abgeschafft, von den Nazis im Zweiten Weltkrieg mit derselben Begründung wieder eingeführt, zur Gründung der Bundesrepublik 1949 wieder abgeschafft. Im Zuge der Ölpreiskrise kam der Wechsel in Deutschland 1980 wieder und wurde 1996 EU-weit vereinheitlicht. Nur: Der Energieeffekt ließ sich wissenschaftlich nie belegen.

Rohrkrepierer im Rat

Stattdessen hielt sich die Begeisterung in der Bevölkerung über vermeintlich „früheres“ Licht im Winter und längere Abendsonne im Sommer in immer engeren Grenzen. Als die EU-Kommission 2018 eine europaweite Umfrage startete, beteiligten sich mit 4,5 Millionen Menschen deutlich mehr als bei allen ähnlichen Projekten. Zumindest bei den Teilnehmenden war die Abschaffung ein dringender Wunsch: Europaweit wollten 84 Prozent das Ende der Zeitumstellung, 84 Prozent waren es in Deutschland und Frankreich, 91 Prozent in Litauen. 93 Prozent in Spanien und 95 Prozent in Polen und Finnland. Mehrheiten für eine Beibehaltung gab es lediglich in Zypern (53 Prozent) und Griechenland (56 Prozent). Daraufhin kündigte die Juncker-Kommission an, umgehend einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung vorzulegen.

Das EU-Parlament war am schnellsten. Noch vor den letzten Europawahlen stimmte das Hohe Haus dem Vorschlag mit deutlicher Mehrheit zu. 410 Parlamentarier votierten bei 192 Nein-Stimmen und 51 Enthaltungen dafür, dass künftige Sommerzeitländer letztmalig Ende März 2021 umstellen, künftige Winterzeitländer letztmalig im Oktober 2021. Auswirkungen auf den Binnenmarkt sollten dabei vermieden werden. Doch genau dafür war 1996 die gemeinsame EU-Sommerzeitregelung eingeführt worden. Als Lösung hätte sich lediglich angeboten, auch die EU in verschiedene Zeitzonen zu unterteilen, wie das andere große Staatengebilde wie China, die Russische Föderation oder die Vereinigten Staaten von Amerika auch haben. Das war für die EU-Gesetzgeber jedoch keine Option.

Nun macht die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des Europaparlamentes, die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini, einen neuen Anlauf. Denn für viele Menschen sei die Zeitumstellung nicht nur lästig, sie mache sie auch „leider richtig krank“. Am Ende der Legislaturperiode sei festzuhalten, dass „die Abschaffung der Zeitumstellung zum Rohrkrepierer im Rat“ geworden sei. „Um weiteren Frust zu vermeiden, muss der Rat endlich den gordischen Knoten der divergierenden Meinung der Mitgliedstaaten lösen und sich positionieren“, verlangt Cavazzini. Die Zeit zwischen Europawahl und neuem Arbeitsprogramm der Kommission ließe hierfür diesen Sommer ausreichend Raum. „So kann die EU das überfällige Versprechen einlösen“, unterstreicht die Ausschusschefin.