Alain spannt den BogenDas Mozart-Projekt von Kit Armstrong

Alain spannt den Bogen / Das Mozart-Projekt von Kit Armstrong
Fazit des Autors: wenig Wärme und Charme beim Konzert am 18. April – dafür aber beste Kammermusik im Großen am 22. April Foto: Alfonso Salgueiro 

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Der Pianist Kit Armstrong knüpft mit der Gründung seines All-Stars-Ensemble an eine langjährige Tradition aus der Musikszene an: In der Philharmonie fand seine Auswahl großer Musiker zusammen und spielte Mozart.

Spätestens seit Norman Granz’ „Jazz at the Philharmonic“-Konzerten, die 1944 zum ersten Mal stattfanden, ist das All-Stars-Ensemble ein fester Begriff geworden: eine Session, in der sich die besten Musiker zusammenfanden und musizierten. In der Klassikszene wurden insbesondere bei Schallplattenaufnahmen nur die besten Solisten, Dirigenten und Orchester ausgewählt. Ein Produzent wie Walter Legge beispielsweise arbeitet meistens mit den gleichen Musikern und Sängern zusammen. Und wer erinnert sich nicht an die legendären Opernaufnahmen der 60er, 70er und 80 Jahre, auf denen nur die großen Stars zu hören waren? Die Kammermusik dagegen war immer in den Händen von festen Ensembles, auch wenn sich regelmäßig große Solisten für einzelne Projekte zusammenfanden.

Heute findet man solche All-Stars-Ensembles bei Orchestern wie dem Lucerne Festival Orchestra oder dem Orchester der Bayreuther Festspiele, wo nur ausgewählte Musiker mitspielen dürfen. Der vor kurzem verstorbene Pianist Lars Vogt hat in Heimbach ein exzellentes Kammermusikensemble zusammengeführt und auch Jan Vogler macht Ähnliches in Dresden. Der Pianist Kit Armstrong arbeitet momentan ebenfalls in diese Richtung und stellte sich und sein neu gegründetes All-Stars-Ensemble bei gleich zwei Konzerten, die der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet waren, im Kammermusiksaal der Philharmonie vor.

Klanggestöber statt Feinschliff

Eingeleitet wurde das erste Konzert vom 18. April mit dem Streichquartett Nr. 15 KV 421 in der Interpretation des Schumann-Quartetts. Wenn die vier Musiker auch ihr spieltechnisches Können unter Beweis stellen konnten, so krankte die Aufführung an einer erschreckenden Fantasielosigkeit. Gestaltung gab es wenig, die Dialoge wirkten mechanisch und die Belanglosigkeit des Vortrags konnte an keiner Stelle Mozarts Musik in Klang umsetzen. Im Gegensatz zu der Meisterleistung des Pavel Haas Quartet zwei Tage vorher an gleicher Stelle waren die Schumanns schon fast zweitklassig. Wenig Freude dann auch beim Klavierkonzert Nr. 5 KV 175. Hier spielten nun das Schumann-Quartett und das Hermes-Quartett zusammen, als Konzertmeister agierte Andrej Bielow. Die Bläserpulte waren mit Céline Moinet, Oboe, Sebastian Manz, Klarinette, Sophie Dervaux, Fagott, und Milena Viotti, Horn, prominent besetzt.

Doch selbst erstklassige Solisten müssen kein erstklassiges Ensemble abgeben. Angefeuert von einem sehr dynamischen Kit Armstrong am Klavier wurde vor allem laut und herzlich gespielt. Das gab es weder eine ausgewogene Klangbalance noch fein gestaltete Melodienstränge. Und Wärme und Charme, so wichtig bei Mozart, suchte man vergeblich. Die Hauptschuldige an diesem Hauruck-Mozart war natürlich die Akustik, die einfach nicht für so ein großes Ensemble und schon gar nicht für Blechbläser geeignet ist. So knallte das Ensemble dem Publikum dieses Klavierkonzert regelrecht ins Gesicht. Selbst in der letzten Reihe hatte sich der Klang nicht, wie sonst, ideal vermischt.

Etwas besser wurde es nach der Pause mit Mozarts Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. Die Musiker fanden hier etwas besser zusammen und boten eine durchwegs homogene und akzeptable Leistung. Auch der Kopfsatz vom Quartett für Klavier und Streicher geriet noch recht gut, doch man merkte schnell, dass Andrej Bielow, hier nicht immer ganz sauber in der Intonation, ein Individualist ist. Seine beiden Streicherkollegen vom Hermes-Quartett Lou Yung-Hsin Chang, Bratsche, und Yan Levionnois, Cello, hielten sich ab dem zweiten Satz dann brav und schüchtern im Hintergrund, sodass die Balance im Ensemble kippte. Kit Armstrong, der jeweils hinter den Ensembles spielte, begeisterte wie immer durch ein wunderbares Klavierspiel, das aber an diesem Abend mit seinem allgemeinen Klanggestöber keine wirklichen Akzente setzen konnte.

Dynamisch, mitreißend und klangschön

Von einem ganz anderen Schlag war das zweite Konzert vom 22. April mit der Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester KV 364, der Maurerischen Trauermusik KV 477 und den beiden Klavierkonzerten Nr. 23 KV 488 & §4 KV 491. Im großen Saal der Philharmonie hatten die Musiker nun endlich den Raum, den sie brauchten. Ab der ersten Note konnte das All-Star Orchestra, das diesmal u.a. mit den Schumann-, Minetti- und Hermes-Quartetten und anderen ausgewählten Musikern besetzt war, vollends überzeugen. Die beiden Konzertmeister Andrej Bielow (KV 364) und Noah Bendix-Balgley hatten ihre Kollegen gut im Griff und sorgten für ein dynamisches, mitreißendes und klangschönes Spiel. Bendix-Balgey und Amihai Grosz, Viola, waren dann auch die überragenden Solisten der Sinfonia concertante. Beide glänzten mit lupenreinem, gefühlvollem Spiel und einem sehr lebendigen Dialog, sowohl untereinander als auch mit ihren Orchesterkollegen. Das war beste Kammermusik im Großen.

Auch die beiden Klavierkonzerte standen unter dem Motto des Zusammenspielens und Zusammenmusizierens. Kit Armstrong, der wieder hinter dem Orchester als Primus inter Pares agierte und sich somit als ein gleichwertiger Teil des musikalischen Ganzen sah, erwies sich als wunderbarer Mozart-Interpret. Leichtfüßig und verspielt im Konzert Nr. 23, verhalten, nachdenklich und dramatisch im Konzert Nr. 24 – Armstrong zeigte in diesen beiden sehr unterschiedlichen Konzerten die gesamte Palette seines interpretatorischen Könnens. Das Zusammenspiel mit dem Orchester, in dem auch Trompeter Adam Rixer und Schlagzeuger Simon Stierle vom Luxembourg Philharmonic mitwirkten, war perfekt und lebendig, sodass das Mozart-Projekt von Kit Armstrong doch noch mit überragenden Interpretationen zu Ende ging. Am Schluss gab es noch den langsamen Mittelsatz aus dem Klavierkonzert Nr. 23 als Zugabe.