DeutschlandWie der Rechtsextreme Björn Höcke sich vor Gericht in Halle inszeniert

Deutschland / Wie der Rechtsextreme Björn Höcke sich vor Gericht in Halle inszeniert
Vor dem Gerichtsgebäude äußerten Demonstranten vor Prozessbeginn gegen Bernd Höcke sehr treffende Ansichten über den Angeklagten Foto: Hendrik Schmidt/dpa

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Den Prozess in Halle nutzt Björn Höcke augenscheinlich als große Bühne. Er bemüht Methoden des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und inszeniert sich als Opfer. Es steht aber auch einiges auf dem Spiel.

Der erste Verhandlungstag im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke vor dem Landgericht Halle begann wie so viele Gerichtsverhandlungen, an denen die AfD beteiligt ist: mit Verzögerungen wegen Anträgen und Beschwerden der Verteidigung. Für die Verhandlung sind zunächst vier Termine angesetzt, ein Urteil könnte am 14. Mai verkündet werden.

Warum steht Höcke vor Gericht? Dem Chef des AfD-Landesverbandes Thüringen wird vorgeworfen, eine verbotene Parole der Sturmabteilung (SA) verwendet zu haben, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. So soll er im Mai 2021 in Merseburg in Sachsen-Anhalt bei einer Rede gesagt haben: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Dabei ist die Losung „Alles für Deutschland“ verboten. Im vergangenen Dezember gab es wohl einen ähnlichen Vorfall, der aber gesondert verhandelt wird: Höcke soll bei einer Veranstaltung im thüringischen Gera den ersten Teil „Alles für“ selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, „Deutschland“ zu rufen.

Wie verteidigt er sich? Vor Gericht hat der 52-Jährige am ersten Verhandlungstag noch nicht Stellung genommen, sondern nur ein paar persönliche Angaben gemacht. Höcke will laut seinem Rechtsanwalt spontan entscheiden, ob er sich zu den Vorwürfen äußert. In der vergangenen Woche hatte er sich in einem TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt gegen die Anklagepunkte verteidigt und behauptet, er habe lediglich den Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, „America First“, in einer freien Rede ins Deutsche übertragen. Er habe nicht gewusst, dass es eine SA-Parole sei.

Ist das glaubwürdig? Seine Aussage ist aus mehreren Gründen unplausibel: Als Höcke die Parole zum zweiten Mal mit Unterstützung seines Publikums benutzt hat, war längst bekannt, dass schon der erste Auftritt in Merseburg juristische Folgen für ihn hat. Außerdem war Höcke Geschichtslehrer am Gymnasium. Er hat in Hessen jahrelang unterrichtet. Politikberater Johannes Hillje sagte im Gespräch mit dem Tageblatt, es sei „vollkommen unglaubwürdig und unvorstellbar, dass ein Geschichtslehrer nicht weiß, was eine zentrale SA-Parole ist und was nicht“. Er betonte: „Wir reden nicht über irgendeine Parole der Nazis, sondern über einen der wichtigsten Slogans der Sturmabteilung.“ Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz bereits als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Grenzen des Sagbaren verschieben

Was nutzt ihm denn eine solche gezielte Provokation? Rechtsaußen-Politiker brauchen die gesellschaftliche Mitte, wenn sie an die Macht gewählt werden wollen. Um da also Anschluss zu finden, versuchen sie immer wieder Tabus zu durchbrechen. Die Verwendung der SA-Parole sei „ein Teil seiner Strategie, die Sagbarkeitsgrenzen zu verschieben“, sagte Hillje. Auch der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner hat über die Grenze des Sagbaren schon geschrieben. „Es geht darum, Unsagbares so oft zu wiederholen, dass es wieder sagbarer wird und langsam normal erscheint.“ Nach Einschätzung des Politikberaters hat Höcke sehr bewusst die SA-Parole gewählt, „weil sie erst einmal ohne historischen Kontext relativ banal daherkommt. Über diese vermeintliche Banalität spricht er auch.“ Die Anklage habe er dabei einkalkuliert. Es ist übrigens das erste Gerichtsverfahren gegen Höcke.

Wie inszeniert er sich dabei? Als Patriot, der Opfer politischer Verfolgung ist. Anfang des Monats postete er einen Beitrag auf X, in dem er sich darüber beklagte. Kryptisch, in englischer Sprache, erklärte er, ihm werde vorgeworfen, „ein angebliches Zitat, in dem ich meinen Patriotismus zum Ausdruck gebracht habe, ‚falsch‘ wiedergegeben zu haben“. Darauf reagierte auch der Besitzer der Plattform X, Elon Musk, und wollte wissen, was Höcke genau gesagt habe und warum das illegal sei. Laut Hillje macht Höcke damit „eine Konfliktlinie auf zwischen den vermeintlich normalen Bürgern, die das für eine normale Aussage halten, und den sogenannten Eliten im Staat, die Menschen für diese Parole bestrafen wollen“. Er verfahre ferner nach der Methode Trump: „Der versucht Gerichtsprozesse in den USA für seinen Präsidentschaftswahlkampf zu nutzen.“

Was droht Höcke im Falle einer Verurteilung? Bei der Landtagswahl am 1. September will er als Spitzenkandidat der AfD in Thüringen antreten und sich im Landkreis Greiz auch um ein Direktmandat bewerben. Im Thüringer Wahlgesetz steht, nicht wählbar sei, wer vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder „infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt“. Theoretisch könnte das Gericht also entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert.