MutualitätenRekonstruktion eines Schwelbrandes: Die CMCM befindet sich am Scheideweg

Mutualitäten / Rekonstruktion eines Schwelbrandes: Die CMCM befindet sich am Scheideweg
Vetternwirtschaft, Desinformation, persönliche Bevorteilung … – die Liste der Vorwürfe ist lang Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die CMCM sieht sich mit Vorwürfen von Vetternwirtschaft, Desinformation und einer zweifelhaften Gouvernance-Struktur konfrontiert. In deren Zentrum: Generaldirektor Fabio Secci. Rekonstruktion eines bereits lange schwelenden Konfliktes.

„Léif Mutualisten, et läit elo alles um Dësch“: Mit diesen Worten beginnt ein anonymer Brief eines „besorgten Mutualisten“, der sich in der rezenten Vergangenheit mehrfach an die Mitglieder der „Caisse médico-complémentaire mutualiste“ (CMCM) und die Nachrichtenredaktionen des Landes gewandt hatte. In den verschiedenen Briefen werden zahlreiche Missstände aufgeführt, die bis in die Zeit der Corona-Pandemie zurückreichen. Und das Bild einer CMCM zeichnen, in dem Generaldirektor Fabio Secci schalten und walten konnte, ohne dass der Verwaltungsrat eingeschritten wäre.

CMCM

Die „Caisse médico-complémentaire mutualiste“ wurde 1956 als „Caisse médico-chirurgicale mutualiste“ vom Luxemburger Verband FNML gegründet. Die Mutualitäten sind historisch gewachsene Unterstützungsvereine, die es bereits vor dem System der Sozialversicherung gegeben hat. Heute fungiert die CMCM vor allem als Zusatzversicherungsleister neben dem gesetzlichen Versicherungssystem. Anders als private Versicherungsunternehmen ist sie nicht auf Profit ausgerichtet. 

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Vetternwirtschaft, Desinformation, persönliche Bevorteilung … Sie richten sich jedoch nicht nur an Generaldirektor Fabio Secci, sondern auch an den Verwaltungsrat, dem ein Mangel an Kontrolle gegenüber den Machenschaften des Generaldirektors vorgeworfen wird. Im Mai hatten sich rund 40 der insgesamt 70 CMCM-Arbeitnehmer in einem direkten Schreiben an Verwaltungsratspräsident André Heinen gewandt, bekannt seien die Umstände dem Verwaltungsrat und den „mutuelles“ jedoch bereits seit 2017.

Secci auf der Anklagebank

In dem Schreiben an André Heinen, das sich wie eine Anklageschrift gegenüber Secci liest, werden diesem ein „manipulativer Managementstyle, Desinformation, Drohungen und Mobbing“ vorgeworfen. 21 Arbeitnehmer sollen seit Fabio Seccis Ankunft im Februar 2015 an der Spitze der „mutuelle“ die CMCM infolge der vorherrschenden Arbeitsbedingungen verlassen haben – in den 20 Jahren zuvor soll es hingegen nur zwei Abgänge gegeben haben. Diese Posten sollen dann mit Freunden, Familienmitgliedern und ehemaligen Arbeitskollegen wieder besetzt worden sein. Die Folge davon: „Il crée de ce fait une ambiance de peur, de stress, de suspicion, et favorise la surveillance, l’espionnage, la délation“, steht in dem Schreiben.

Im Zentrum der Anschuldigungen gegen den Generaldirektor stehen dessen finanzielle Vergütungen. Neben seinem üppigen Gehalt steht es Secci in seinem Amt ebenfalls zu, ein Entgelt für anfallende Repräsentationskosten anzufragen. Diese sollen sich laut einem Bericht einer internen Finanzkommission im Jahr 2021 auf mehr als 25.000 Euro belaufen haben. Der Verwaltungsrat diskutierte in einer anschließenden Sitzung darüber, dass dieses System der „frais de représentation“ zu Missbrauch führen könnte – auch deswegen, weil die externe Repräsentation Teil der Stellenausschreibung des CMCM-Direktorenpostens war – und Secci neben Essen mit Verwaltungsrats- oder Direktionsmitgliedern beispielsweise einen Besuch auf den „Réiser Päerdsdeeg“ hat bezahlen lassen.

Private Vorteile

Wie das Luxemburger Wort schreibt, hat sich Secci ebenfalls Reisen und Übernachtungen im Ausland im Rahmen seiner Direktionstätigkeit zusätzlich vergüten lassen. Besonders auffällig sei demnach, dass er und seine Frau Lara Marx, ebenfalls Direktionsmitglied, für fünf Tage nach Porto zu den TeamGym-Europameisterschaften 2021 im Rahmen eines Sponsoring-Vertrages gereist sind und jeder rund 1.600 Euro für den Aufenthalt kassiert hat. Einen Grund für den gemeinsamen Aufenthalt des Paares habe es jedoch nicht gegeben, so das Resultat eines internen Finanzberichtes.

Neben einem undurchsichtigen Vergütungssystem und unnötigen Ausgaben steht aber noch ein weiterer Vorwurf im Raum: Steuerhinterziehung. Demnach hat die CMCM Secci einen privaten Dienstwagen der Marke Range Rover zur Verfügung gestellt, diesen jedoch als „pool car“, der jedem Arbeitnehmer der CMCM zur Verfügung steht, aufgeführt. Auch soll am Range Rover eine Anhängerkupplung im Wert von 5.000 Euro montiert worden sein – ohne dass die CMCM je davon hätte Gebrauch machen können. Einen Anhänger oder ähnliches Material besitzt die CMCM nämlich nicht.

Das Jeton-System wurde mittlerweile abgeschafft und durch Bonuszahlungen ersetzt, die versteuert werden müssen. Mittlerweile werden auch die Wagen der Direktionsmitglieder aufgeführt. Auch wurden zwei weitere Direktoren eingestellt, um die Entscheidungsmacht von Fabio Secci innerhalb der CMCM zu begrenzen.

Covid-Pandemie

Die Vorwürfe begrenzen sich jedoch nicht auf finanzielle Bevorteilung. In dem von 40 Mitarbeitern unterzeichneten Brief werden Secci insbesondere während der Corona-Pandemie schwere Fehltritte vorgeworfen. Unter anderem soll er aus dem Homeoffice arbeitend den Mitarbeitern der CMCM verboten haben, „télé-travail“ zu beantragen. Auch soll ein großes Firmenfest zu Pandemie-Zeiten stattgefunden haben, obwohl die Covid-Bestimmungen zu der Zeit größere Ansammlungen verboten haben. Demnach seien die Arbeitnehmer in Bussen unter Maskenpflicht zum Militärfriedhof in Sandweiler gefahren worden, wo sie dann in einen Partybus umgestiegen seien. In einer E-Mail, die dem Tageblatt vorliegt, behauptet Secci, dies sei auf Wunsch des Personals geschehen – was die 40 Unterzeichner jedoch in ihrem Schreiben an André Heinen bestreiten.

Auch habe es innerhalb der CMCM ein Infektionscluster gegeben. Rund 80 Prozent der Arbeitnehmer sollen sich infolgedessen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Eine Person wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Das habe die Auffassung des Generaldirektors gegenüber dem Homeoffice jedoch nicht geändert. Stattdessen hätten sich Arbeitnehmer, die sich in den sozialen Medien für das Arbeiten von zu Hause aus ausgesprochen hätten, mit indirekten Drohungen vonseiten Seccis konfrontiert gesehen. „De Choix, wou ee schafft, ass jidferengem selwer iwwerlooss …“, ist außerdem auf dem Screenshot eines Kommentars des Generaldirektors zu lesen.

Goergen vs. Heinen

All diese Anschuldigungen sind an die Öffentlichkeit gelangt, nachdem André Heinen in einer Verwaltungsratssitzung am 27. Februar von insgesamt acht Verwaltungsratsmitgliedern als Präsident abgesetzt wurde. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung hat Heinen bereits Klage eingereicht. Ein Urteil des Bezirksgerichtes könnte voraussichtlich am 8. April fallen. Auf der Generalversammlung der „mutuelle“ am 18. April wird Heinen voraussichtlich Stellung zu den Geschehnissen nehmen. Dann wird sich auch entscheiden, ob es zu einer Neuwahl des Verwaltungsrates kommen wird. Bis dahin ist de facto Gilbert Goergen Präsident der CMCM.

Goergen hat auch schwere Vorwürfe gegen André Heinen erhoben. Heinen soll demnach die zwei Direktoren, die die Arbeit von Fabio Secci einrahmen sollten, ohne Kenntnis des Verwaltungsrates eingestellt haben. Die Arbeitsverträge sollen diese sich gegenseitig unterzeichnet haben. Vorwürfe, die sich mittlerweile als falsch herausgestellt haben. Dass Heinen ohne das Wissen des Verwaltungsrates gehandelt haben soll, werde allerdings weiterhin aufrechterhalten – von einigen Verwaltungsratsmitgliedern jedoch nicht gestützt.

Wie das Luxemburger Wort darüber hinaus berichtet, sei auffällig, dass in dem vom neuen Präsidenten Gilbert Goergen und dem neuen Generalsekretär Yves Scharlé vorgelegten Vorwurfkatalog keine Rede mehr von Fabio Secci sei. Demnach wolle Gilbert Goergen dem Generaldirektor weiterhin den Rücken decken. Die Probleme innerhalb der CMCM seien ausschließlich auf das schlechte Management von André Heinen zurückzuführen. Dem gegenüber stehen erste Bemühungen Heinens, die Entscheidungsmacht von Secci einzugrenzen, wenngleich der Verwaltungsrat seine Rolle als Kontrollorgan unter Heinen gerade im Hinblick auf die finanziellen Vergütungen nicht vollumfänglich wahrgenommen hat.