EditorialWarum die Politik die Europawahl nicht ernst nimmt – es jedoch tun sollte

Editorial / Warum die Politik die Europawahl nicht ernst nimmt – es jedoch tun sollte
Die ersten Plakate hängen schon: Die Kandidaten und Kandidatinnen bei den EU-Wahlen müssen dem Wähler Europa wieder näher bringen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der Europawahlkampf hat in Luxemburg am Montag offiziell begonnen. Nicht zuletzt daran zu erkennen, dass die Laternenpfähle entlang der Luxemburger Straßen wieder mit den Konterfeis zahlreicher Politiker verkleidet sind. Einen Monat lang werden die Kandidaten und Kandidatinnen nun versuchen, die Wähler von ihren Ideen zu überzeugen. Keine einfache Aufgabe, stehen die Europawahlen doch im Schatten der nationalen Politik.

Eine Frage, der sich die Politik stellen muss, lautet, warum die Bürger diese Wahlen interessieren sollten, wenn selbst die Parteien diese Wahlen kaum ernst nehmen. Ein Beispiel sind die Kandidaten, denen keiner wirklich glaubt, dass sie sich ernsthaft beim Wähler um einen Job in Brüssel bewerben. Bei den Grünen erfüllt das Kriterium beispielsweise François Bausch, bei der LSAP fällt ein Mars Di Bartolomeo in diese Kategorie. Beides Politiker, die bei den vergangenen Nationalwahlen weit unter ihrem Ergebnis von 2019 geblieben sind und eher als Stimmenfänger denn als ernsthafte Kandidaten gelten. Ob ein Gusty Graas oder eine Liz Braz tatsächlich nach Brüssel will, darf ebenfalls infrage gestellt werden.

Hinzu gesellen sich die komplizierten Strukturen und Entscheidungsprozesse, die den Brüsseler EU-Kosmos immer mehr als undurchsichtiges Bürokratiemonster erscheinen lassen. Die europäische Idee mit ihren Idealen rückt dann schnell in den Hintergrund. In Zeiten, in denen an den Grenzen der EU ein Krieg tobt und rechtsextreme Kräfte immer mehr in die Mitte der Gesellschaft drängen, ist das gefährlich. Nichts ist eine größere Bedrohung für unsere demokratische Gesellschaft, als autoritäre und faschistische Tendenzen mit einem Schulterzucken zur Kenntnis zu nehmen, anstatt sich diesen entschlossen entgegenzustellen.

Es liegt nun an der Politik, das Interesse der Bürger am europäischen Gedanken wiederzubeleben. Randnotiz an die derzeitigen Amtsinhaber der sechs Parlamentssitze: Es ist wenig bis gar nicht hilfreich, auf die zahlreichen europäischen Beschlüsse oder Direktiven hinzuweisen, an denen man schließlich mitgearbeitet hat. Bis auf einige wenige Politikwissenschaftler, Journalisten und die Politiker selbst werden wohl nur die wenigsten zwischen EU-Verträgen, Verordnungen, Richtlinien, Beschlüssen, Empfehlungen, Stellungnahmen und sonstigen Rechtsakten unterscheiden.

Wenn also Politiker ihre Arbeit an der EU-Richtlinie zur Plattformarbeit anpreisen, kann noch lange nicht jeder etwas mit diesen Begrifflichkeiten anfangen. Noch weniger weiß der Wähler, was für einen direkten Einfluss diese Richtlinie auf seine Lebenswelt hat. Ähnlich sieht es mit der EU-Direktive zu den Kollektivverträgen oder dem Green New Deal aus: Mit Schlagwörtern und abstrakten Konzepten gewinnt man keine Wahlen.

Wenn Parteien und Politiker sich nicht dem Anschein einer Wahl zweiten Grades ergeben wollen, sollten sie klar und transparent kommunizieren, inwiefern die europäische Politik das Luxemburger Alltagsleben beeinflussen kann. Nur so kann Europa den Generationen, die nur noch wenig mit den Anfangsjahren der Europäischen Gemeinschaft verbinden, wieder nähergebracht werden. Gründe, warum Europa nicht nur als ein Bürokratiemonster und Lobbyisten-Paradies wahrgenommen werden sollte, haben die vergangenen Jahre mit einer Pandemie und einem Krieg auf europäischem Boden genügend geliefert.

Nando
11. Mai 2024 - 10.14

Mit unserem granteln gegenüber der EU und nicht wählen wollen, ebnen wir den undemokratischen Rechtspopulisten zu Einfluss und Macht. Ist es denn nicht schon schlimm genug die hässlichen Machenschaften eines Orban und Mitläufer aushalten zu müssen? Mit den EU Wahlen können wir zeigen, ob wir bereit sind für Demokratie einzustehen und dafür zu streiten, oder dem inhaltslosen Stumpfsinn der Rechtspopulisten die Tür öffnen.

Müller Erwin
10. Mai 2024 - 13.35

Ah ja, unser Mars als Stimmenfänger tut seine Arbeit gut, würde er denn dem Spitzenkandidaten der LSAP den Platz bei einer Wahl abnehmen oder wird hier wieder einmal der Wählerwille missachtet und die Leute vorsätzlich getäuscht?

Phil
7. Mai 2024 - 20.22

Robert Schumann hatte damals ein Spitzenidee. Nur was seine Erben daraus gemacht haben lässt ihn sich im Grabe umdrehen. Alle anderen, noch lebenden, drehen sich im Anbetracht der EU um und weinen bitterlich.

Bayrhammer Gust
7. Mai 2024 - 18.44

Ich seh alte Männer auf den Plakaten, die ich seit meiner Kindheit aus der Politik kenne, Bartolomeo und Goerens zum Beispiel. Oder Andere die kläglich versagt haben während ihrer Amtszeit. Haben die keinen Garten zu Hause ? Was machen die in Brüssel außer von Banketts profitieren und Guide Michelin studieren. Warum soll ich diesen Profiteuren helfen sich die Taschen voll zu stecken, oder Steuergelder außer EU zu verteilen?

Schmit Jean
7. Mai 2024 - 12.11

Wenn man schon individuelle politiker benennt die den waehler nicht ernst nehmen, steht allerdings CSV mann christophe Hansen ganz vorn. Zuerst aus dem EU parlement demissionniert um sich in die nationale Chamber waehlen zu lassen ,steht er nun wieder nach ein paar monaten auf der liste fuer das EU parlement obwohl er eigentlich in die kommission will.

JUNG LUC
7. Mai 2024 - 11.19

Wie kann man diese europäische Agrardiktatur, den Lobbyismus der Industrie, die Korruption und die Skandalen ernst nehmen? Man muss beide Augen schliessen.

Grober J-P.
7. Mai 2024 - 9.10

Spärlich wie immer, mit den Programmen! Zum Nachlesen bisher nix. Übrigens, bei den Nationalwahlen auch nicht sooo besonders.