1,6 Milliarden Steuernachzahlung

1,6 Milliarden Steuernachzahlung
(Virginia Mayo)

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Die französische Regierung macht Jagd auf multinationale Konzerne.

Die französische Finanzverwaltung hat einen Steuerbescheid verschickt. Er lautet über 1,6 Milliarden Euro. Der Adressat heißt Google. Frankreichs Finanzverwaltung ist der Meinung, dass die Steueroptimierung, die der Konzern in Europa vorgenommen hat, nicht rechtens ist. Finanzminister Michel Sapin stützt seine Verwaltung politisch. Anfang des Monats hatte er erklärt, dass Frankreich nicht über die Höhe der Steuern diskutiere. Seine Verwaltung rede lediglich über die Regeln, die anzuwenden seien.

Goldesel der nationalen Staaten

Internet-Konzerne wie Google sollen offensichtlich zu den Goldeseln der nationalen Staaten in Europa werden. Google ist dabei nur der Anfang. Der britische Fiskus hatte damit begonnen. Für ausstehende Steuerzahlungen bis in das Jahr 2005 zurück hatte sich Google auf eine Zahlung von umgerechnet 172 Millionen Euro mit der Steuerverwaltung des Königreiches geeinigt. „Viel zu wenig“, meinten Kritiker darauf hin. In Italien soll die Steuerverwaltung – Informationen der Nachrichtenagentur Agence France Presse zufolge – den US-Giganten mit einem Steuerbescheid von 200 Millionen Euro konfrontiert haben. Italien verdächtigt den Konzern der Steuerhinterziehung.

Frankreichs Finanzminister hatte angekündigt, dass Google in Frankreich „so billig nicht davonkommen“ würde. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hatte die französische Finanzverwaltung Google im März 2014 einen Bescheid über Steuernachzahlung nach einer Kontrolle zugeschickt. Der Betrag soll sich irgendwo zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro bewegen. Diese Summe soll sich inklusive der zwischenzeitlich aufgelaufenen Verzugszinsen und einer Strafe auf 1,6 Milliarden Euro belaufen, meint Reuters. Die französische Regierung hat die Nachricht nicht dementiert.

Michel Sapin wird seine Aussage, dass man nicht über die Höhe, wohl aber über die Regeln rede, die angewendet werden müssen, möglicherweise revidieren müssen. Denn die anzuwendenden Regeln bestimmen die Höhe der Nachzahlungen. Worüber wird dabei geredet? Es handelt sich um die Transferzahlungen, die Google leistet.
Die Angelegenheit geht auf das Jahr 2011 zurück. Damals hatte der französische Fiskus die Pariser Büros von Google durchsucht. Google hatte dagegen Beschwerde eingelegt, aber verloren. Seitdem kennt der französische Fiskus das System und hat auch die Schwachstelle gefunden. Google lässt seine Gewinne in Europa in seiner irischen Tochtergesellschaft registrieren. Diese Gewinne werden anschließend größtenteils als Autorenrechte auf die Bermudas überwiesen.

Fiskus hat die Schwachstelle gefunden

Es geht im Grunde um die als Autorenrechte deklarierten Zahlungen. Die Grundsatzfrage heißt dabei: Verwendet Google in Frankreich Logarithmen und allgemeine Software, die in den USA oder in Irland oder in einem anderen Land entwickelt wurden? Unterliegen diese Logarithmen/Software dem Copyright? Wird für die Nutzung gezahlt und darf Google Irland die auf die grüne Insel überwiesenen nationalen Gewinne tatsächlich größtenteils als Tantiemen betrachten? Handelt es sich bei den Gewinnen also um Transferzahlungen aus der Nutzung von Logarithmen/Software und anderen Internet-Entwicklungen? Die Frage ist auch, wie diese Transferzahlungen zu bewerten sind. Luxemburger Wirtschaftsberater und Steuerberater gehen dabei davon aus, dass die Kooperation mit dem Fiskus so klar dokumentiert zu erfolgen hat, dass der Fiskus das System der Transferzahlungen verstehen und auf seine Rechtmäßigkeit in Bezug auf nationale Gesetzgebungen, europäische Richtlinien und Richtersprüche des Europäischen Gerichtshofes nachvollziehen kann.

Anders als etwa bei Industrie-Unternehmen stellt sich dabei die Frage nach dem Ort der Entwicklung, der Verwaltung und des Einsatzes. Und schließlich: Was ist eine Idee wert und wie berechnet man den zu zahlenden Wert? Das sind die Regeln, die der französische Finanzminister anspricht. Das ist bei einem Internet-Konzern erheblich schwieriger zu beurteilen als bei einem Stahlkonzern. ArcelorMittal etwa geht bei der Konzern-internen Berechnung immer vom Weltmarktpreis aus. Der Konzernpreis, den die einzelnen Unternehmen des Stahl- und Bergbaureiches intern als Transferpreis bezahlen, ist damit eindeutig festgelegt und vom Fiskus weltweit nachzuvollziehen. Wie aber ist das bei einer Konzern-intern entwickelten Software, die von Tochtergesellschaften weltweit genutzt wird? Welchen Wert hat sie? Was kostet sie?

Dabei spielt in Frankreich noch ein geopolitisches Argument eine Rolle. Kein Land in der Europäischen Union geht so scharf, offensiv und mit Gesinnungsprozessen gegen so genannte Steuerparadiese vor wie Frankreich. Bermuda ist ein Steuerparadies. Irland, obwohl Mitglied der Europäischen Union, gilt – wie das auch bei Luxemburg lange Zeit der Fall war und im Grunde immer noch nicht überwunden ist – wegen seiner niedrigen Besteuerung als Steuerparadies. Irland hat seinen europäischen Partnern nach wiedererlangter wirtschaftlicher Gesundheit mitgeteilt, dass man an diesem Modell festhalten werde. Google befindet sich unabhängig von den Fakten daher in Frankreich unter Generalverdacht. Der US-Konzern arbeitet gleich mit zwei Steuerparadiesen zusammen.

Französischer Staat braucht Geld

Die französische Steuerverwaltung hat einen anderen – pikanten – Auftrag erhalten: Finanzminister Sapin lässt sie nun gegen Apple ermitteln. Ziel sind die Prüfungen der Steuerzahlungen in den Jahren 2011 bis 2013. In Italien hatte sich Apple Ende vergangenen Jahres bereit erklärt, 318 Millionen Euro Steuern nachzuzahlen. Glaubt man Finanzminister Sapin, wird Apple, genauso wie Google in Frankreich, so billig nicht davon kommen.
Der Grund: Frankreich braucht Geld, sucht immer neue Geldquellen. Und gegen multinationale Großkonzerne herrscht der Generalverdacht, dass das, was sie unter Steuer-Optimierung verstehen, in Wirklichkeit Steuerhinterziehung ist. Und: trotz des Bekenntnisses des Premierministers Manuel Valls, dass er Unternehmen mag, hat das Land gegenüber Großunternehmen und multinationalen Konzernen ein gespaltenes Verhältnis.