MotorsportZur Halbzeit ist alles offen: Die bisherige Formel-E-Saison

Motorsport / Zur Halbzeit ist alles offen: Die bisherige Formel-E-Saison
Auch wenn beim Start noch Wehrlein führte, feierte Jaguar TCS Racing in Monaco den Doppelsieg nach einer taktischen Meisterleistung Foto: FIA Formula E

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Sieben verschiedene Sieger in acht Läufen, taktische Rennen mit unvorhersehbarem Ausgang und mit so mancher Überraschung in letzter Runde/Sekunde: Die Formel-E-Saison ist spannend wie immer. 

Seit Mitte März legte der Formel-E-Tross eine beachtliche Reise zurück: Es ging von São Paulo über Tokio nach Misano, um schließlich in Monaco zu landen. Das Rennen in São Paulo war ein regelrechtes Energiespar-Rennen mit vielen Überholmanövern. Nachdem Pascal Wehrlein mit 0.002 Sekunden die Poleposition vor Stoffel Vandoorne ergattert hatte, wollte im Rennen keiner so recht das Feld anführen, um Energie zu sparen. Über die ersten zwei Drittel des Rennens bekämpften sich die Porsche-Piloten Wehrlein und Da Costa, Bird (McLaren), Evans (Jaguar) und Dennis (Andretti) hart. Nach einer zweiten Safety-Car-Phase, durch den Unfall von Tabellenführer Nick Cassidy ausgelöst, sah es so aus, als ob der zu der Zeit führende Mitch Evans das Rennen in der Tasche hätte. In der vorletzten Kurve der letzten Runde wischte sein letztjährige Teamkollege Sam Bird aber noch an ihm vorbei und sicherte somit den ersten Sieg für McLaren in der Formel E.

„Mein Ingenieur sagte mir, ich müsste unbedingt meine Batterie kühlen, doch ich merkte, dass Mitch noch schlechter dran war als ich selbst. So setzte ich in der letzten Runde alles auf eine Karte. Ich kam sehr nah an die Mauer, aber Mitch war sehr fair und so hat es in allerletzter Sekunde mit dem Sieg geklappt.“ Als fairer Verlierer des Zweikampfs meinte Evans: „Ich hatte zum Schluss einfach nicht mehr genügend Power, um zu verteidigen. Ich bin froh für Sam, er hat zwei schwierige Jahre hinter sich.“

Maserati-Sieg in Tokio

Beim darauffolgenden Rennen, dem ersten überhaupt in Tokio, war wieder alles auf den Kopf gestellt. Vor heimischem Publikum schenkte Oliver Rowland seinem Hersteller Nissan die Poleposition und führte auch das Rennen lange an. Während den ersten zwei Dritteln glich das Rennen erneut einer regelrechten Energiespar-Prozession. Nach einer Safety-Car-Phase wegen zu vieler Schrottteile auf der Strecke vermochte niemand zu sagen, wer aus der Spitzengruppe von Rowland (Nissan), Günther (Maserati), Mortara (Mahindra), Dennis (Andretti) und Da Costa (Porsche) als Erster die Ziellinie überqueren würde. Kurz vor Rennende schnappte sich Günther den Nissan von Rowland und machte so den Traum eines japanischen Sieges vor Heimpublikum zunichte.

Der überglückliche Sieger, der übrigens bei allen bisherigen Rennen gepunktet hat, meinte: „Es war ein überwältigendes Wochenende. Wir waren im Training, Quali und Rennen immer unter den ersten drei. Das gesamte Team hat über die letzten Wochen hart gearbeitet. Heute hatten wir eine perfekte Strategie und so haben wir unseren Speed in einen Sieg umgesetzt!“ Die bis dato in der Gesamtwertung führenden Cassidy und Wehrlein hamsterten lediglich einige Punkte ein. Erstaunlicherweise fehlte den beiden DS-Penske-Fahrern Vergne und Vandoorne über das ganze Wochenende die Pace: Sie kamen nie über eine Statistenrolle heraus – umso erstaunlicher, da Maserati, die auch von einem DS-Motor angetrieben werden, den Sieg einfuhr.

Alles verrückt in Misano

Das Doppelevent in Misano war wohl das verrückteste Wochenende der Formel E überhaupt. Am Samstag wurde Sieger Antonio Felix da Costa (Porsche) wegen eines technischen Details disqualifiziert und am Sonntag fiel der bis dato führende Rowland in der letzten Runde mangels Energie aus. Beide Läufe waren weniger ein Autorennen, sondern eine reine Energiespar-Fahrt und zugleich ein Stock-Car-Gemetzel (im luxemburgischen und nicht im amerikanischen Sinn). Viele Piloten bedauerten, dass nicht mehr auf dem von ihnen so beliebten Stadtkurs in Rom gefahren wurde, sondern auf der Motorradstrecke nahe Rimini. Die Formel E ist langsam, aber sicher dabei, ihre ursprüngliche Identität zu verlieren, weil man immer mehr auf traditionellen Rennstrecken fährt.

Sonntagssieger Wehrlein sagte: „Bis Mitte des Rennens war es wieder sehr chaotisch. Ich wusste nicht, ob ich in Führung bleiben oder Oliver Rowland den Vortritt lassen sollte (um Energie zu sparen). Am Ende erwies es sich als richtig, energieschonend zu fahren. Heute ging es darum, Energie, Batterie und Reifen zu schonen. Meine zwei Rennen zeigen, dass es in der Formel E von ‚zero to hero‘ geht: am Samstag ein beschädigtes Auto und am Sonntag ein Sieg.“ Mit zwei zweiten Plätzen erwies sich Andretti Pilot Jake Dennis erneut als beständiger Punktesammler und ist somit bislang gut bestellt, seinen Champion-Titel zu verteidigen. In Misano setzte der Schweizer Nico Müller im Abt-Cupra seine Serie von erstaunlichen Leistungen fort. Er führte sogar zeitweise im zweiten Rennen und verpasste am Ende das Podium um nur 0,05 Sekunden: „Wir haben unser Paket gut weiterentwickelt. Unser Auto liegt besonders gut auf sehr ebenen Strecken mit hohem Grip. Überhaupt waren wir auf den letzten drei Streckentypen auf einer Runde immer schnell – das lässt hoffen für die Zukunft!“

Monaco: Jaguar TCS Racing dominiert

Nachdem die in den freien Trainings dominierenden Jaguar-Piloten Evans und Cassidy ihre Quali-Runde vermasselt hatten, erzielte Wehrlein mit seinem Porsche eine erneute Poleposition und sicherte sich somit drei weitere Punkte in der Gesamtwertung, die er ohnehin schon anführte. Beim Rennen, bei dem es übrigens nicht weniger als 197 Überholmanöver gab, ließ Jaguar der Konkurrenz jedoch nicht die geringste Chance. Mit einer überragenden Strategieleistung schirmte erst Cassidy, dann Evans den jeweiligen Teamkollegen ab, sodass niemand vorbeikam, als beide ihren Attack Mode aktivierten. Den DS-Penske von Vandoorne und Vergne sowie den Porsche von Wehrlein und da Costa blieb nur die unerbittliche Verfolgerrolle übrig.

Im Rennen kam das Safety-Car gleich zweimal zum Einsatz, davon einmal durch einen ungebremsten Einschlag von Edo Mortaras Mahindra in der ersten Schwimmbadkurve, bei dem der Fahrer glücklicherweise unverletzt blieb. Gleiches gilt nicht für McLaren-Fahrer Sam Bird, der sich bei einem leichteren Einschlag im ersten Training die Hand brach und somit wohl für einige Rennen ausfallen wird. Der überglückliche Sieger Evans meinte: „Es fühlt sich mega und erleichternd an, endlich hier in Monaco meinen ersten Saisonsieg zu erzielen.“ In den vergangenen Jahren hatte er in Monaco immer auf dem Podest gestanden, aber nie als Sieger. „Ich hoffe, dass dies der Wendepunkt in meiner Saison sein wird und ich nun regelmäßig viele Punkte einfahren kann. Dieser Jaguar-Doppelsieg, zusammen mit Nick, war eine massive Teamleistung!“

Am kommenden Wochenende geht es nun mit einem Doppelevent auf dem stillgelegten Flugplatz von Berlin Tempelhof weiter.

Im Überblick

Zwischenstand nach 8 Rennen:
1. Pascal Wehrlein (Porsche) 102 Punkte
2. Nick Cassidy (Jaguar) 95
3. Oliver Rowland (Nissan) 89
4. Jake Dennis (Andretti) 88
5. Mitch Evans (Jaguar) 77
6. Maxi Günther (Maserati) 65
7. Jean-Eric Vergne (DS-Penske) 65

Der weitere Terminkalender (jeweils Doppelevents):
11./12.5. Berlin
25./26.5. Schanghai
29./30.6. Portland
20./21.7. London