RadsportIm „neuen“ Radsport angekommen: Dan Lorang über Bob Jungels 

Radsport / Im „neuen“ Radsport angekommen: Dan Lorang über Bob Jungels 
Bob Jungels ist 2024 mit einer starken Form in die Saison gestartet Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Bob Jungels ist 2024 mit einer starken Form in die Saison gestartet. Der 31-Jährige beeindruckte vergangenes Wochenende bei der Algarve-Rundfahrt und wird nun am Samstag mit dem Omloop Het Nieuwsblad sein erstes WorldTour-Rennen der Saison angehen. Dan Lorang, Head of Performance bei Bora-hansgrohe, erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, wie sich Jungels auf die Saison vorbereitet hat, was der Wechsel von Primoz Roglic dem deutschen Team bringt und wie sich der Radsport im Allgemeinen entwickelt.

Es war schon beeindruckend, was Bob Jungels bei der Algarve-Rundfahrt am vergangenen Wochenende zeigte. Vor allem auf der letzten Etappe war der 31-Jährige maßgeblich daran beteiligt, dass sein Teamkollege Daniel Felipe Martinez am Ende das Teilstück gewann. In beachtlicher Manier führte Jungels seinen Teamkollegen an die Spitze heran und erledigte damit die Vorarbeit. Schon vor der Rundfahrt in Portugal hatte sich Jungels mit dem 18. Platz bei der Vuelta Ciclista a la Region de Murcia (1.1) in einer guten Form präsentiert. 

Head of Performance bei Bora-hansgrohe, Dan Lorang
Head of Performance bei Bora-hansgrohe, Dan Lorang Foto: Privat

„Ich glaube, er hat erkannt, dass das Niveau heutzutage höher ist als noch vor ein paar Jahren“, sagte Dan Lorang im Januar im Gespräch mit dem Tageblatt. Lorang, der mittlerweile Head of Performance beim deutschen Rennstall ist, hat Jungels bei der Vorbereitung auf das Jahr unterstützt.„Man muss mehr tun als in den vergangenen Jahren. Mehr Kilometer im Höhentrainingslager, mehr Zeit im Süden, noch genauer auf seine Ernährung und das Gewicht achten. Andernfalls hat er keine Chance. Bob ist ein Radsportler, der in der Lage ist, Capitaine de Route zu sein. Und das war einer der Gründe, warum wir ihn eingestellt haben. Er kann ein Team führen. Aber um dies auch zu tun, braucht er das Niveau.“ 

Jungels scheint die Message von Lorang verstanden zu haben. Nach dem Trainingslager mit dem Team im Januar ging der ehemalige Sieger (2018) von Liège-Bastogne-Liège auf Eigeninitiative in ein Höhentrainingslager. „Er weiß, dass er viel arbeiten muss. Er investiert viel, auch mit diesem persönlichen Höhentrainingslager. Er hat Ambitionen, Rennen zu gewinnen. Diesen Typ Fahrer mögen wir: einerseits für das Team zu arbeiten und andererseits noch selbst ehrgeizig zu bleiben“, resümiert Lorang. 

Immer mehr Wissenschaft

Jungels scheint den „neuen Radsport“ angenommen zu haben. Doch auch Lorang und die Teams müssen stets die Entwicklungen mitgehen: „Wenn man sich die letzten fünf Jahren anschaut, dann werden die Leistungen immer besser. Die Details kommen aus der Wissenschaft und die Methoden, mit denen die Teams arbeiten, werden immer wichtiger. Die Ernährung, das Training, die Erholung. Es gibt viele Dinge, die jedermann zugänglich sind. Im Internet findet man Informationen über alles. Was die Basis betrifft, arbeiten alle Teams gut. Einen Unterschied machst du mit den besten Athleten und den besten Methoden. Es ist ein Rennen im Rennen. Man muss in vielen Bereichen der Erste sein, der Rat von diesen oder jenen Experten bekommt. Das ist der Radsport von heute. Es ist kein Wunderwerk, aber es geht um viele Wissenschaften.“ 

Mit der Ankunft von Primoz Roglic können die Verantwortlichen von Bora-hansgrohe nun auch genauer auf die Arbeit vom Team Visma Lease a Bike blicken. Der Slowene bestand vor seinem Wechsel zu Bora-hansgrohe darauf, dass er seinen Trainer Marc Lamberts mitbringen dürfe. „Er ist ein Experte auf seinem Gebiet mit einer großen Erfahrung“, sagt Lorang über Lamberts, der auch Wout van Aert trainierte. „Wir können uns mit Visma Lease a Bike vergleichen, die im letzten Jahr drei große Rundfahrten gewannen. Wir können schauen, wo wir uns verbessern können, wollen Visma aber nicht kopieren.“

Einige neue Erkenntnisse hat Bora durch die Zusammenarbeit mit Lamberts auch schon gewonnen: „Die größte Entdeckung ist, dass das niederländische Team sehr konsequent ist in dem, was es tut. Wenn sie ein Höhentrainingslager für drei Wochen absolvieren, dann sind es drei Wochen. Nicht 18 oder 19 Tage. Mir wurde bewusst, dass wir ein wenig strenger werden müssen. Wir gehen nicht sehr streng mit unseren Sportlern um. Aber wenn wir gewinnen wollen, müssen wir uns ändern. Marc hat uns gesagt, dass wir mehr Know-how als Jumbo haben. Wir müssen das nun nur umsetzen können.“ 

Roglic bringt Schwung ins Team

Mit der Ankunft von Roglic sei noch mal ein richtiger Schwung durch die Mannschaft gegangen, erklärt Lorang. „Wenn man Werte von Radsportlern schaut, dann findet man außergewöhnliche Athleten – und das ist er (Roglic). Er ist stärker als die Radsportler, die wir vorher im Team hatten.“ Das deutsche Team plant mit dem Slowenen Großes: „Ich glaube, mit ihm haben wir die große Chance, den Tour-de-France-Sieg anzupeilen.“ 

Und das ist, wonach die Teams aktuell streben: der Sieg beim größten Radrennen der Welt. Doch damit dies gelingt, braucht man die besten Radsportler. Und deswegen beginnt die Suche nach Talenten immer früher. „Wir müssen früh Talente finden, die dazu fähig sind, auf das Niveau von Vingegaard, Roglic oder Pogacar zu kommen. Wir schauen schon auf 15- oder16-Jährige. Ich weiß nicht, ob das gut ist, aber das ist die Tendenz. Jede Mannschaft hat Angst, zu spät dran zu sein, um den nächsten Tour-Sieger zu finden.“ Viele Nachwuchsathleten müssen sich deswegen aber auch mit psychischen Problemen beschäftigen. „Viele junge Athleten haben mentale Probleme. Der Sport wird härter und die Jungen sind nicht alle auf dieses professionelle Leben vorbereitet. Es ist hart, drei oder vier Wochen von zu Hause entfernt zu sein. Das spielt alles eine Rolle.“ 

Nieuwsblad am Wochenende 

Der Fokus in der Gegenwart liegt nun aber erst mal auf dem ersten WorldTour-Rennen in dieser Saison von Jungels. Beim Omloop Het Nieuwsblad am Samstag trifft er auf harte Konkurrenz. Alleine das Team Visma Lease a Bike hat mit Vorjahressieger Dylan Van Baarle, dem Sieger von 2022, Wout van Aert, dem Dritten des letzten Jahres, Christophe Laporte, oder Tiesj Benoot mehrere Anwärter auf den Sieg dabei. Fahrer, die das Team gefährden könnten, sind vor allem Matej Mohoric (Bahrain-Victorious), Tim Wellens (UAE Team Emirates) oder Tom Pidcock (Ineos Grenadiers). 

Doch auch Lidl-Trek, für das Alex Kirsch an den Start gehen wird, ist im Kreis der engeren Favoriten vertreten. Jasper Stuyven, der das Rennen 2020 gewann, führt die Mannschaft an. Als dritter Luxemburger wird Arthur Kluckers für die Tudor-Mannschaft antreten. 

Bora-hansgrohe schickt ein ausgeglichenes Team an den Start, das jedoch nicht zu den Favoriten auf den Sieg gehört. Mit Jordi Meeus geht ein Sprinter ins Rennen, mit Emil Herzog sowie Luis-Joe Lührs zwei Nachwuchstalente und mit Jonas Koch, Cesare Benedetti und Marco Haller drei Routiniers, die jedoch noch keine Top-Platzierung bei solch großen Rennen vorweisen können. Vielleicht könnte Jungels für eine Überraschung sorgen. Denn der 31-Jährige ist noch nicht am Ende. „Wenn man sich mit ihm unterhält, merkt man, dass er zufrieden ist. Er ist ein Radsportler, der dieses Leben liebt“, sagt Lorang. 

Viele Rennen mit luxemburgischer Beteiligung

Mit Lotte Kopecky, Demi Vollering, Lorena Wiebes, Christine Majerus, Femke Markus und Elena Cecchini stellt SD Worx-Protime das wohl stärkste Team des Damen-Rennens vom Omloop Het Nieuwsblad (1.UWT) am Samstag. Majerus ist dabei die einzige Luxemburgerin am Start. Ebenfalls am Samstag wird noch die Faun-Ardèche Classic (1. Pro) ausgetragen, wo mit Kevin Geniets (Groupama-FDJ), Michel Ries (Arkéa-B&B Hotels) und Luc Wirtgen (Tudor) drei Luxemburger antreten. Das gleiche Trio wird tags darauf auch bei der Drome Classic (1. Pro) starten. Doch auch in Belgien stehen am Sonntag noch weitere Rennen an. Bei Kuurne-Bruxelles-Kuurne (1. Pro) starten Kirsch und Jungels, der Sieger von 2019. Majerus hingegen wird sonntags am Omloop van het Hageland (1.1) teilnehmen, wo sie auf Liv Wenzel (Hess) treffen wird.