400 Kilometer entfernt: Morde verbinden zwei kleine Städte

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Zwischen den beiden Tatorten liegen rund 400 Kilometer. Im österreichischen Kufstein traf es eine 20 Jahre alte Studentin aus Frankreich, in Endingen bei Freiburg eine 27-jährige Joggerin. Beide Frauen waren alleine unterwegs, beide wurden angegriffen und ermordet. Vor Gericht steht derzeit ein 40 Jahre alter Latswagenfahrer aus Rumänien. Der Prozess vor dem Landgericht Freiburg, der nur den Mordfall Endingen beleuchtet, widmete sich am Montag erstmals auch dem Mord in Österreich – mit neuen Erkenntnissen.

Der Angeklagte nimmt, wie schon an den Verhandlungstagen zuvor, äußerlich regungslos an dem Prozess teil. Äußern mag sich der 40-Jährige nicht. Den Mord in Endingen hat er zum Prozessauftakt über eine von seinem Anwalt verlesene Erklärung gestanden. Die Tat in Österreich räumte er gegenüber einem psychiatrischen Gutachter ein, wie ein Gerichtssprecher sagt.

Körperspuren an beiden Tatorten

An beiden Tatorten, so hat es eine DNA-Spezialistin des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg erklärt, wurden Körperspuren von ihm gefunden. Videoaufnahmen sollen den 40 Jahre alten Lastwagenfahrer unweit des Tatorts in Kufstein zeigen, wie ein ermittelnder Kriminalbeamter am Montag vorm Landgericht Freiburg sagt. Dazu passten GPS- und Mautdaten, über die die Ermittler dem mutmaßlichen Täter auf die Spur gekommen seien.

Die Polizei in Tirol kam lange nicht weiter. An der Uferpromenade des Flusses Inn fand sie im Januar 2014 die Leiche der französischen Austauschstudentin. Ihr war, wie der Joggerin in Endingen, Hose und Slip heruntergezogen worden. Kurz vor Mitternacht an einem Wochenende im Januar war die junge Frau auf dem Weg zu Freundinnen gewesen, dort aber nicht angekommen.

Heftige Gewalteinwirkung

„Es gab drei heftige Gewalteinwirkungen“, sagt die österreichische Gerichtsmedizinerin Marion Pavlic, die die Leiche der französischen Austauschstudentin obduzierte. Den ersten Schlag mit einem länglichen Gegenstand habe die junge Frau vermutlich mit der Hand abzuwehren versucht. Danach – das könne sie aber nicht mit Sicherheit sagen – sei das Opfer nach einem Schlag ins Gesicht, der ihr die Nase und den Kiefer gebrochen habe, zu Boden gegangen, wo sie noch einen weiteren Schlag auf den Hinterkopf erlitten habe. Beide Schläge auf den Kopf seien lebensgefährlich gewesen und hätten wahrscheinlich dazu geführt, dass die junge Frau sofort das Bewusstsein verlor. Die Tatwaffe fand später ein Polizeitaucher – eine Hubstange, wie sie zum Beispiel zum Anheben eines Lkw-Führerhauses genutzt wird, im nahegelegenen Inn.

Auch die Joggerin in Endingen wurde nach Angaben der Rechtsmediziner mindestens sechs Mal mit Wucht auf den Kopf schlagen. Der Angeklagte selbst hat angegeben, mit einer Schnapsflasche zugeschlagen zu haben. Die Tatwaffe fand sich in diesem Fall nicht.

Opfer ähnelten sich

Als der österreichische Chef-Inspektor Karl-Heinz Huber der vorsitzenden Richterin Eva Kleine-Cosack Lichtbilder des Kufsteiner Tatorts zeigt, stellt sie fest: Die beiden Frauen ähnelten sich. Auch die Abläufe zeigen Parallelen: Die Austauschstudentin wurde, nachdem sie der Täter niedergeschlagen hatte, noch einige Meter an den Füßen fortgeschleift, ihr fehlten nach Angaben des Chef-Inspektors das Handy, ihre Handtasche und Haustürschlüssel. Auch die Joggerin in Endingen wurde vom Weg in den Wald geschleift, ihr fehlten das Handy und ein Schuh, beides wurde später in der Nähe des Tatorts gefunden.

Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil will das Gericht im Dezember sprechen. Danach prüft die Justiz in Österreich das weitere Vorgehen. Für einen zweiten Prozess, dann in Österreich, würde Deutschland den Mann an das Nachbarland ausliefern. Das Freiburger Urteil müsse aber erst rechtskräftig sein, sagt ein Justizsprecher.

Sollte der Lkw-Fahrer sowohl in Deutschland als auch später in Österreich verurteilt werden, gelte die Strafe in Österreich rechtlich als „Zusatzstrafe“, erklärt der Innsbrucker Staatsanwaltssprecher Hansjörg Mayr. Sofern das Gericht in Deutschland eine lebenslange Freiheitsstrafe ausspreche, würde das zuständige Innsbrucker Gericht den Mann formell schuldig sprechen, aber keine weitere Strafe verhängen. Wo der Angeklagte dann die Strafe absitzen müsse, müssten die Behörden beider Länder gemeinsam entscheiden.