Verschiedene Unionen

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Diskussion zur Zukunft der EU

Nie wird es gelingen, alle zufriedenzustellen. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei vielen aneckte, als er mit dem vorige Woche präsentierten Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union nicht einen einzigen, sondern gleich fünf mögliche Entwicklungswege vorgezeichnet hat. Vermutlich stört nicht wenige an dieser Vorgehensweise, dass sie nun selbst Farbe bekennen müssen und sich nicht wie gewohnt auf wohlfeile Kritik verlegen können. Doch der Luxemburger ist schon zu lange im europäischen Geschäft, als dass er sich aus einer derart wichtigen Frage selbst einen Strick drehen würde.

Den Ball an die 27 EU-Staaten oder, warum nicht, an deren Bevölkerungen weiterzuspielen, war nicht nur ein geschickter Schachzug. Die konkrete und überblicksartige Beschreibung der zur Auswahl gestellten fünf Szenarien hebt sich auch erfrischend von anderen Papieren ab, die für den gleichen Zweck erstellt wurden. So heben etwa sowohl der Beitrag der Benelux-Länder als auch jener der vier sogenannten Visegrad-Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn – für das Gipfeltreffen am 25. März in Rom die Errungenschaften und Vorzüge der EU hervor. Wie sie sich allerdings die Zukunft der Union vorstellen, ist in dieser klaren und eindeutigen Form, wie sie die EU-Kommission formuliert hat, in diesen Beiträgen nicht zu finden.

Die 27 wollen ihren Reflexionsprozess über die Orientierung der EU, den sie im September in Bratislava angestoßen hatten, bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge abschließen. Denn die Veranstaltung sollte nach dem Waterloo-Erlebnis der Brexit-Abstimmung hauptsächlich dazu dienen, das Bekenntnis zum europäischen Integrationsprozess zu erneuern und der Union einen neuen Schwung geben. Dabei wird die Kommission im Laufe der kommenden Monate noch weitere wichtige Reflexionspapiere etwa zur sozialen Dimension in der EU sowie zur Wirtschafts- und Währungsunion vorlegen. Zumindest was Letztere angeht, haben die 27 eigentlich keine andere Wahl, als sich für jene der Juncker’schen Varianten zu entscheiden, die eine tiefere Zusammenarbeit mit mehr Kompetenzen für die europäische Ebene vorsieht. Denn seit Jahren bereits hinken die Euro-Staaten der Schaffung dieser für die Stabilisierung der Gemeinschaftswährung erforderlichen Union hinterher.

Dennoch läuft es wohl darauf hinaus, dass die EU-Staats- und Regierungschefs sich darauf festlegen werden, künftig in unterschiedlichen Geschwindigkeiten weiterzumachen. Insbesondere Deutschland und Frankreich sprechen sich für diese Option aus. Sie machen das aus einer Position der Stärke heraus, denn sie wissen, dass kaum etwas ohne sie in der EU umgesetzt werden kann, sie selbst aber umso schneller auf die Gefolgschaft der anderen Mitgliedstaaten zählen können. Dass die Variante der verschiedenen Geschwindigkeiten jedoch auch dazu führt, dass die EU noch unübersichtlicher wird und somit für die Bürger noch weniger verständlich und nachvollziehbar, scheint dabei weniger von Bedeutung zu sein.