WeltraumVon Mondsauerstoff und Asteroidenabwehr: Luxemburg will Zusammenarbeit mit ESA vertiefen

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Mehr Zusammenarbeit im Weltall: Lex Delles für Luxemburg (M.) und Josef Aschbacher, Generaldirektor der ESA (l.) Foto: MECO

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Die Europäische Weltraumagentur ESA und das Großherzogtum wollen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten, besonders wenn es um Ressourcen im Weltall geht. Ein Besuch im Test- und Forschungszentrum im niederländischen Noordwijk – zwischen Satelliten made in Luxembourg und der ersten Space-Tankstelle auf dem Mond.

Lex Delles muss sich ducken. Einmal unter der niedrigen Schleuse hindurchtauchen, dann steht er im Inneren des Weltraumlabors der Internationalen Raumstation ISS. „Ist größer, als ich mir das vorgestellt habe“, sagt Delles. Um diese Erfahrung zu sammeln, hat sich der Wirtschaftsminister nicht extra ins All schießen lassen müssen. Eine Reise nach Noordwijk an die holländische Nordseeküste genügt auch. Hier, in der Erasmus High Bay auf dem Gelände der European Space Agency (ESA), steht eine exakte Nachbildung des Weltraumlabors „Columbus“.

Das Modul „Columbus“ ist der große europäische Beitrag zur ISS, dem teuersten nicht-militärischen Projekt der Menschheitsgeschichte. Am 11. Februar 2008 dockte das Labor an der Raumstation an. Seitdem forschen dort Astronauten und Astronautinnen aus unterschiedlichen Ländern in der Schwerelosigkeit. Mit dabei: eine Firma aus Luxemburg, die vor wenigen Wochen einen neuen Rekord aufgestellt hat. Mit einer Maschine von „Flawless Photonics“ gelang es Astronauten auf der ISS, mehrere Kilometer einer neuen Glasfaser herzustellen, die das herkömmliche Produkt zur Datenübertragung an Qualität und Leistungsfähigkeit um das Vielfache übertrifft. Das alles dank der speziellen Umstände der sogenannten Mikrogravität, besser bekannt als: Schwerelosigkeit.

Kommerzielle und öffentliche Interessen, draußen unter den Sternen gehen sie mittlerweile Hand in Hand. „Was wir gerade erleben, ist ein Wandel hin zur kommerziellen Nutzung der ISS und der Mikrogravität“, sagt Andreas Borggraefe. Borggraefe ist ESA-Mitarbeiter, er hat Minister Delles und seine Delegation durch die Halle zu „Columbus“ geführt. Es drängt sich die zentrale Frage der Privatwirtschaft auf: Lohnt sich das, Glasfaserherstellung im Weltall? Rechtfertigt die bessere Qualität die höheren Kosten?

Auch in Juventas steckt ein Stück Luxemburg

Genau damit beschäftige sich die ESA im Moment, so Borggraefe. Die Weltraumagentur kooperiere mit verschiedenen Unternehmen, um herauszufinden, ob und wie sich bessere Produkte in der Schwerelosigkeit des Weltalls herstellen lassen. Man arbeite dabei zum Beispiel mit der Pharmaindustrie zusammen, es geht um Tumorforschung, um altersbedingte Erkrankungen. „Das ist eine hervorragende Gelegenheit für Unternehmen“, so der ESA-Mitarbeiter. „In Zukunft könnten wir Produktionseinrichtungen im Weltall haben, die ganz ohne menschliche Beteiligung fliegen und vollautomatisch funktionieren.“

Hervorragende Gelegenheiten für Unternehmen haben es so an sich, dass sie von Zeit zu Zeit auch einen Wirtschaftsminister anlocken. Und so sind Delles und seine Delegation an diesem Tag zu Besuch im European Space Research and Technology Centre (Estec). Hier entwickeln und testen die Europäer den Großteil ihrer Weltraumtechnologie, seien es Satelliten oder Mars-Roboter. Mit Schutznetzen an Kopf und Füßen und langem Laborkittel geht es zum Nanosatelliten Juventas. Auch hier mischt eine luxemburgische Firma mit. Das Unternehmen Gomspace hat Teile des Satelliten entwickelt. Juventas befindet sich derzeit in der Testphase, im Oktober soll er im Zuge der HERA-Mission ins All geschossen werden. Eine Mission, bei der es auch um die Verteidigung der Erde vor Asteroiden auf Kollisionskurs geht.

Talente vor dem Weltraumlabor: Liz Schneider (M.) und Justin Bourgois (ganz links)
Talente vor dem Weltraumlabor: Liz Schneider (M.) und Justin Bourgois (ganz links) Foto: MECO

„HERA ist ein sehr gutes praktisches Beispiel für den Beitrag eines luxemburgischen Privatunternehmens zu einer ESA-Mission“, sagt Delles wenig später. Gerade hat er zusammen mit Josef Aschbacher, dem Generaldirektor der ESA, ein Memorandum unterschrieben, in dem sich das Großherzogtum und die europäische Weltraumagentur eine enge Zusammenarbeit zusichern. Konkret geht es dabei vor allem um den Bereich der Weltraumressourcen – seit Jahren ein Aushängeschild der luxemburgischen Space-Strategie. Den Knotenpunkt der Kooperation zwischen ESA und der Luxembourg Space Agency (LSA) bildet dabei weiterhin das Europäische Innovationszentrum für Weltraumressourcen (Esric). Ein Rohstoff, auf den die Luxemburger schon seit einigen Jahren ein Auge geworfen haben: der Sauerstoff, der sich in den Metalloxiden im losen Gestein auf der Mondoberfläche befindet. Ließe sich dieser gewinnen, könnte man auf dem Mond Raumschiffe leichter mit Treibstoff betanken – der Erdtrabant könnte zur ersten Space-Tankstelle werden.

„Die ESA ist ein wichtiger technischer Partner für Luxemburg“, sagt Delles. Aschenbach hingegen zeigt sich beeindruckt von den Investitionen des Landes in die Raumfahrt, das er zu den „weltweit führenden Nationen auf dem Gebiet der Weltraumressourcen“ zählt. Der ESA-Chef hofft auf noch engere Zusammenarbeit in der Zukunft – auch, was die Rekrutierung von jungen luxemburgischen Talenten und Arbeitskräften für ESA und Estec anbelangt.

Eines dieser jungen Talente, das seinen Weg nach Noordwijk bereits gefunden hat, ist Liz Schneider. Sie arbeitet als Trainee im Bereich Concurrent Space Mission Design. „Früher wurden Weltraummissionen nach der Wasserfall-Methode geplant“, sagt Schneider: ein Bereich nach dem anderen. Heute werde alles zeitgleich designt, mit Experten aus allen Feldern. „Manchmal ist das eine chaotische Diskussion“, sagt die Luxemburgerin, „aber am Ende viel fruchtbarer und schneller.“ Wirklich schnell läuft in der Weltraumforschung jedoch nichts. Viele Projekte, über die Schneider und ihre Kollegen sprechen, ziehen sich über Jahre, Realität werden lange nicht alle. Davon berichtet auch Justin Bourgois. Als Systementwickler koordiniert er die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Technikbereichen. Im vergangenen Jahr war er unter anderem an einem Projekt beteiligt, das die Atmosphäre um den Mars herum erforschen soll. Manchmal gehe es um Missionen 2035, 2040, so Bourgois. „Man arbeitet an Dingen, von denen man nicht weiß, ob sie jemals fliegen werden.“

Schneider und Bourgois teilen ein gemeinsames Interesse. Beide sind fasziniert von Missionen, die mit dem Mars zu tun haben. „Der Mond ist spannend“, sagt Schneider, „aber es gibt ihn schon ewig. Und da waren wir schon.“ Die nächste Generation hat das nächste Ziel bereits im Blick.