Franchise im Wandel„Planet of the Apes“ (Teil 2)

Franchise im Wandel / „Planet of the Apes“ (Teil 2)
Das TCL Chinese Theatre war bereit für die Weltpremiere von „Kingdom of the Planet of the Apes“ Anfang Mai Foto: AFP/Valerie Macon

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Zum Kinostart von „Kingdom of the Planet of the Apes“, dem neunten filmischen Eintrag in ein sehr langlebiges Franchise, das seinen Anfang Ende der Sechzigerjahre nahm, soll der metaphorische Stoffgehalt der Filmreihe näher untersucht werden. Warum erfreut sich eine derart dystopische Zukunftsvision einer so ungebrochenen Popularität?

Die Wiederbelebung von zeitlosen Klassikern ist filmhistorisch betrachtet oftmals an den technologischen Fortschritt der Filmsprache gebunden: So war es denn auch kein Zufall, dass nach dem bahnbrechenden Erfolg der Motion-Capture-Technologie ein neues Zeitalter der digitalen Abbildungen im Kino eingeleitet wurde, in dessen Folge auch die klassische Filmreihe um den „Planet of the Apes“ einer Neuinterpretation unterzogen wurde: Andy Serkis, der britische Schauspieler, der die digitale Figur des Gollum in „The Lord of the Rings“ (2001-2003) auf die Leinwand brachte, wurde zum Pionier dieser schauspieltechnischen Errungenschaft. Als er nach dem Welterfolg der monumentalen Filmtrilogie gleich darauf erneut für den neuseeländischen Regisseur Peter Jackson in die Rolle des Riesenaffen in „Kong Kong“ (2005) schlüpfte, für die er monatelang das Verhalten von Affenspezies, Schimpansen und Gorillas in freier Natur studierte, war sein Mitwirken an der geplanten Wiederbelebung des Stoffes nahezu selbstverständlich.

Im Gegensatz zu der Originalfilmreihe versuchte man, mit der Strategie des „Reboots“ den umgekehrten Weg zu gehen: Als „Origin-Story“ angelegt, sollte die Reihe vielmehr die Anfänge des dystopischen Zukunftsentwurfs, den Boulle schilderte, fokussieren. Damit wurde sich augenscheinlich in eine neue Vermarktungslogik eingeschrieben, die mit dem „James Bond“ mit Daniel Craig in der Hauptrolle oder noch dem „Batman“-Franchise durch Christopher Nolan bereits erfolgreiche Modelle der Neuinterpretation hervorgebracht hatte.

Da wie hier dominiert ein einschneidendes Erzählmuster: die stärkere Psychologisierung der Figuren. Das Motion-Performance-Capture bot den technologischen Schlüssel. Spätestens seit „Avatar“ (2009) drängte die Science-Fiction immer mehr auf die Angleichung, auf das Menschenähnliche im Unmenschlichen. Die Mimik und Gestik, die bei diesem Verfahren der digitalen Tricktechnik von einem Schauspieler oder einer Schauspielerin auf eine digitale Figur übertragen werden, bilden die Basis für dieses Angleichungsprinzip. Nicht mehr dem Verfremdungseffekt der Science-Fiction gilt hier das Augenmerk, sondern dem Vertrauten. Die subversive Kraft der Satire, die der französische Schriftsteller Pierre Boulle 1963 noch anstrebte, blieb in dieser modernen Übernahme weitestgehend unberücksichtigt. Von der humorvollen Leichtigkeit, die die Vorgängerfilme stellenweise noch evozierten, ist hier fast nichts mehr geblieben, so sehr überwiegt die drückende Schwere der Ernsthaftigkeit, mit der die Filme den evolutionären Wandel betrachten.

Eine pessimistische „Origin-Story“

„Rise of the Planet of the Apes“ (2011) unter der Regie von Rupert Wyatt machte den Auftakt dieser Neuauslegung: Will Rodman (James Franco) ist ein junger, engagierter Wissenschaftler, der zusammen mit seinem Vater, ebenfalls ein Forscher, Heilmittel für Menschen erforscht. Ein vielversprechendes Mittel gegen Alzheimer testet er im Labor an Affen. Ein besonderer Affe namens Caesar (Andy Serkis) wächst ihm dabei ans Herz. Das Mittel scheint vorerst zu funktionieren, bis es sich als tödliches Virus mit verheerenden evolutionären Folgen entpuppt; die darwinistische Umkehrung nimmt ihren Lauf: Die Menschen verkommen zu degenerierten und stummen Gestalten, während die Affen ein intelligentes Bewusstsein und eine eigene Sprache entwickeln.

Dieser Erstlingsfilm zeigt, wie der Fortschrittswille und die Profitgier ungesunde und gefährliche Dynamiken freilegen, wie verheerend sich die Hybris des Menschen an der Komplexität der biologischen Naturverhältnisse reiben kann. Obwohl der Film die Atomanspielungen gänzlich ausspart und dafür ein vernichtendes Virus anführt, ist die grundlegende Handlung um den hochintelligenten Ceasar, der sich an die Spitze der Revolution der Affen gegen ihre menschlichen Unterdrücker stellt, doch sehr direkt der ursprünglichen Reihe entnommen: „Conquest of the Planet of the Apes“ (1972), der vierte Film der Originalausgabe, erzählte ebendiese Geschichte, sogar der Name dieses Affen, der zunächst noch in Kette bei seinem Ziehvater gehalten wird, stammt aus diesem Film. Ferner ist die Handlung stark unterfüttert mit den Motiven des Vorgängers „Escape from the Planet of the Apes“ (1971). Das erscheint mithin nur folgerichtig, es waren ebenjene Teile, die die philosophischen Denkräume des Stoffes überaus ernst nahmen.

„Dawn of the Planet of the Apes“ (2014) von Matt Reeves greift die Situation des Vorgängerfilms auf, dabei liest sich die grobe Handlungsskizze schon sehr viel dystopischer: Das tödliche Virus hat im Laufe eines Jahrzehnts die große Mehrheit der menschlichen Bevölkerung auf der Erde ausgelöscht. Die restlichen Menschen versuchen verzweifelt, in einer Welt zu überleben, während die Affen um Caesar sich sittsam ordnen: Die Mitglieder von Caesars Gemeinschaft sind multiethnisch; neben den dominanten Affen gibt es unter anderem Orang-Utans, Gorillas und Bonobos. Sie kommunizieren meist mit einer anmutigen, kurzen Zeichensprache, die mit Hilfe von Untertiteln geschickt übersetzt wird, sie organisieren sich ferner in gesellschaftsfähigen Gruppierungen, die den zivilisatorischen Fortschritt andeuten. Es sind vor allem die Großaufnahmen der Gesichter dieses Films, die die zunächst auffälligen Unterschiede in der Mimik zusehends aufheben sollen. Der Durchbruch der Grenze war geschaffen: Animations- und Realspielfilm schließen sich als Gattungen mithin nicht mehr aus, sie werden eins. Es ist eine anregende Spiegelung des Inhalts in seiner Form.

Mit „Dawn“ drängte die Reihe viel weiter zu ihrem allegorischen Potenzial. Kein anderer Film der Reihe insistierte so sehr darauf, dass Gut und Böse keine Frage des äußeren Erscheinungsbildes oder der Genetik sind. In „Dawn“ nämlich entfacht unter Caesars Kommune eine primitive Form des Bürgerkrieges: Koba, der geschundene und rachsüchtige Affe des Vorgängerfilms, droht die von Caesar etablierte Ordnung zu zerstören. Eine tragische Wendung, zumal Coba so etwas wie einen Bruder für Caesar darstellt, ihre anfängliche Nähe wird auffällig inszeniert. So gesehen lässt sich „Dawn“ auch wie eine invertierte Form der parabelhaften Erzählung des gelehrten Affen Cornelius aus dem Originalfilm von 1969 lesen, der noch, aus seinem Lehrbuch rezitierend, warnte: „Beware the beast Man, for he is the Devil’s pawn. Alone among God’s primates, he kills for sport or lust or greed. Yea, he will murder his brother to possess his brother’s land. Let him not breed in great numbers, for he will make a desert of his home and yours.“ Caesar setzt auf friedliche Koexistenz; Coba sinnt auf die Etablierung einer neuen, affendominierten Herrschaftsstruktur. Hier der Pazifist, da der Kriegstreiber. Dieses Muster wird auch in „Kingdom of the Planet of the Apes“ wiederholt.

„War for the Planet of the Apes“ (2017) wurde erneut unter der Regie von Matt Reeves inszeniert, weniger aber wirken hier die titelgebenden kriegerischen Handlungen, als vielmehr der biblisch-mythische Subtext: „War“ zitiert ausgiebig aus tradierten Erzählstoffen. Kain und Abel – Coba und Caesar: Es ist der Brudermord, der Caesar albtraumhaft heimsucht, es geht um das Aufladen der Sünde, ferner noch erinnert die Überhöhung Caesars zu einer Erlösergestalt an Moses oder Christus. Caesar, der weitsichtige Affe, der seinem Volk den Weg in die Freiheit zeigt, stirbt am Ende des Films bezeichnenderweise unter einem Baum als Sinnbild für die ambivalente Utopie, das trügerische Paradies, das er zu errichten hoffte. Das Ende von „War“ ist somit auch eine Umdeutung des Filmendes seiner Bezugsquelle: Was 1969 noch die große Tragödie für den Menschen bedeutete, ist hier die diffuse Hoffnung des Affen. Es ist die inhaltliche und allegorische Kohärenz dieser Filmtrilogie, die narrative Geschlossenheit der Einzelfilme, die sie von dem seriellen, netzwerkähnlichen Erzählcharakter anderer zeitgenössischer Franchise-Reihen abhebt.

Franchise im Wandel: „Planet of the Apes“

Der erste Teil dieses Textes erschien am Samstag. Eine Rezension von „Kingdom of the Planet Apes“ folgt voraussichtlich in der Ausgabe vom 11. Mai.