Ausstellung „Reality Warping“Packt die Badehose ein, wir machen Sommerurlaub im April

Ausstellung „Reality Warping“ / Packt die Badehose ein, wir machen Sommerurlaub im April
Kunst und Badelatschen – zu sehen in der Ausstellung „Realty Warping“ in Diekirch Foto: Françoise Stoll

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Urlaubsfeeling statt Realitätsverzerrung: Noch bis zum 28. April stellt das „Musée d’histoire(s) Diekirch“ die Werke der luxemburgischen Kunstschaffenden Mélanie Humbert und Michel Kremer unter dem irreführenden Titel „Reality Warping“ aus.

Während draußen Regen auf Hagel folgt, scheint im „Musée d’histoire(s)“ in Diekirch die Sonne. Acryl- und Holz-Gemälde, in Neonfarben gestrichen, schmücken die Wände der zweistöckigen Ausstellung. Hier hängt eine Badehose, dort eine Sonnencreme-Tube und etwas weiter eine Hängematte. Die Motive wurden dabei stark vereinfacht, beziehungsweise abstrahiert.

Es ist genau diese Einfachheit, die, in Kombination mit der knalligen Farbwahl, ein nahezu nostalgisches Gefühl von Sommer und Urlaub vermittelt. Bei den Objekten handelt es sich um eine Auswahl von Mélanie Humberts Werken, die der Öffentlichkeit bereits unter den Ausstellungstiteln „I don’t need vacation. I am vacation“, „Art, Punk and Beats“ oder „Childish Behaviour“ dargeboten wurden. Neben den Farben geht Humbert insbesondere ein Spiel mit diversen Formen ein und kreiert so minimalistische, aber gleichzeitig kindliche und lebensbejahende Kunstwerke. Das Tageblatt stellte die Künstlerin 2022 in der Serie „FR.A.RT“ vor.

Zwischen den Objekten von Humbert befinden sich, fast unmerklich, Reproduktionen eines anderen Künstlers. Was wie ein Nachteil klingen mag, ist als Kompliment gemeint, denn die Kunstwerke von Michel Kremer fügen sich nahtlos in die Ausstellung ein. Für den zeitgenössischen Künstler markant ist ebenfalls der Wille, mit Abstraktion und kindlicher Naivität zu experimentieren – allerdings auf eine ganz andere Art, als seine Kollegin dies tut. Kremers Werke sind verfremdeter, immaterieller, unvorhersagbarer. Hier liegt es ganz im Auge des Betrachters oder der Betrachterin, wie die Gemälde am Ende interpretiert werden.

Sommerpause oder Realitätsverzerrung?

„Reality Warping“ ist eine Doppelausstellung, die die Werke beider Kunstschaffenden meisterhaft miteinander kombiniert, wenn auch unter falschem Titel: Der Begriff der „Realitätsverzerrung“ suggeriert, dass sich im Rahmen der Expo mit (subjektiver) Wahrnehmung, mit ihren Grenzen und eventuell sogar mit ihrer Erweiterung, auseinandergesetzt wird. Zwar kann man in abstrakte Welten abtauchen, die Frage, was real ist und was nicht, steht jedoch zu keinem Zeitpunkt im Raum. Anders als im Beschreibungstext angegeben, werden die gezeigten Objekte die Besucher und Besucherinnen wohl kaum dazu ermutigen, ihr Verständnis der Welt um sie herum neu zu definieren. Anstelle von psychedelischen Zerrbildern steht man hier gut gelaunt kindlichen Darstellungen gegenüber.

 Foto: Françoise Stoll

Sicherlich ist die Titelwahl auf den Versuch zurückzuführen, die Essenz beider Kunstschaffenden auf einen gemeinsamen Nenner bringen zu wollen. Gerade die Bilder von Mélanie Humbert durchkreuzen die Idee des „Reality Warping“, da sie hierfür zu konkret sind und zu sehr an einen Sommerurlaub am Meer anknüpfen. „I don’t need vacation. I am vacation“, wie die Ausstellung von Humbert im vorigen Jahr in Amsterdam hieß, war hier wesentlich passender. Womöglich ist der dominierend sommerliche Gesamteindruck auf ein – gefühltes und nicht überprüftes! – Ungleichgewicht der Anzahl von Humberts und Kremers Ausstellungstücken zurückzuführen.

Übrigens ist es nicht das erste Mal, dass Mélanie Humbert und Michel Kremer (beide 1989 in Luxemburg geboren) zusammenarbeiten: Gemeinsam mit einem weiteren Künstler, Franky Hoscheid, riefen sie 2021 das Künstlerkollektiv „Ham, Fritten & Zalot“ (kurz HFZ) ins Leben. Hoscheids Werke fungieren als Ergänzung der Arbeiten seiner Kolleg*innen und gleichen sich trotz – oder vielleicht sogar aufgrund aller Unterschiede – an diese an.

Doch zurück zur Ausstellung in Diekirch: Obwohl der Namen der Ausstellung in die Irre führt, handelt es sich dennoch um eine gelungene, kleine Schau. Wer ihre Wirkung zulässt, verlässt die Räumlichkeiten des „Musée d’histoire(s)“ anschließend fröhlich, nostalgisch.

Die Expo

„Reality Warping“ kann noch bis zum 28. April (von 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen) im „Musée d’histoire(s) Diekirch“ angesehen werden. Weitere Infos unter www.mhsd.lu, mehr über die Kunstschaffenden erfahren Sie unter www.melhum.com und www.michelkremer.online.