Eurovision Song Contest„Das Warten war so brutal“: Tali trägt Luxemburg ins ESC-Finale

Eurovision Song Contest / „Das Warten war so brutal“: Tali trägt Luxemburg ins ESC-Finale
Freudenausbruch nach der Ergebnisverkündung Foto: EBU/Corinne Cumming

Jubelstimmung auf dem Sofa der Luxemburger Delegation und bestimmt auch auf zahlreichen Sofas zu Hause: Tali hat den Sprung ins Finale geschafft. So verlief der Abend in der Malmö-Arena.

Nach einem starken Auftritt und fast einer Stunde angespannten Wartens steht es fest: Luxemburg ist im ESC-Finale. Als das Großherzogtum bei der Ergebnisverkündung genannt wird, liegen sich Tali, ihre Tänzer und der Rest der Luxemburger Delegation in den Armen. Vor allem aus Erleichterung. Denn das Großherzogtum wird erst mit dem letzten Slot der Qualifikationen vom angespannten Warten erlöst. Der Song hat die Menschen zu Hause überzeugt und so darf die 23-Jährige auch am Samstag wieder die Bühne in Malmö erobern. Nach dem Auftritt wurde bei der Auslosung der Startplätze fürs Finale festgelegt, dass Luxemburg in der ersten Hälfte des Samstagabends auftreten wird. 

Ob damit auch der Zauber des letzten Platzes für Tali brechen wird? Mit dem letzten Startplatz im LSC qualifizierte sie sich nämlich für den ESC. Nun bringt sie der letzte Platz im Halbfinale mit dem letzten freien Qualifikationsplatz ins Finale. Zufälle gibt’s … 

Tali selbst ist gleich nach der Verkündung der Teilnehmer „überwältigt“. Bei der anschließenden Pressekonferenz antwortet sie auf die Frage der lokalen Presse, was ihr in diesem Moment durch den Kopf schoss: „Ich hatte fast einen Herzinfarkt. Es war so brutal. Wahrscheinlich einer der verrücktesten Momente meines Lebens. Dann kam die Kamera immer näher und ich dachte: Moment, Moment, das kann vielleicht doch noch klappen. Und dann ist’s passiert und ich kann nicht glauben, dass ich nun hier bin.“ Auf die Frage der internationalen Presse sagt Tali, sie hoffe, dass Luxemburg als Inspiration für andere Länder dienen könne, zum Contest zurückzukommen. „Ich bin so stolz, mein Heimatland hier zu repräsentieren.“

Talis Auftritt 

Nach 14 Songs ist dann auch Luxemburg offiziell zurück beim ESC. Tali legt eine fantastische Performance hin, stimmlich sehr solide – da hat sich das Atemtraining mit den beiden Performance-Coaches richtig bezahlt gemacht. Von der etwas fehlenden Energie bei den Generalproben keine Spur mehr. Im Gegenteil: Tali sorgt noch mal für einen richtig tanzbaren Moment, der lauten Jubel bei den Fans auslöst. Und: Der Auftritt kommt nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf den Bildschirmen gut rüber.

Der Luxemburgerin hat sicherlich auch ihre Platzierung in die Karten gespielt. Nach der ersten, unheimlich starken Hälfte des ersten Halbfinals sind die meisten Auftritte vor dem Luxemburger Beitrag eher flach und unspektakulär oder bilden, im Fall von Portugal, einen hervorragenden Genre-Kontrast zu Talis kraftvollem und schnellem Song. 

Tali während eines Probeauftritts am Montag*
Tali während eines Probeauftritts am Montag* Foto: Jessica Oé

Postkarte aus Luxemburg

Wie in jedem Jahr werden vor den jeweiligen Auftritten kleine Spots über die teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen eingespielt. Das gibt den Kommentatoren wie Roger Saurfeld Zeit, die einzelnen Acts kurz vorzustellen. Bei Talis Video gibt es verschiedene Sehenswürdigkeiten aus Luxemburg-Stadt, unter anderem den städtischen Park, die Philharmonie und die Festung Drei Eicheln, zu sehen. 

Schweden kann Eurovision

Viel besser als Schweden kann man den ESC fast nicht ausrichten. Die Show selbst ist sehr ansprechend anzusehen, insbesondere die LED-Wand hinter der Bühne liefert eine beeindruckende Bildqualität, die von vielen Künstlern richtig ausgenutzt wird. Die Würfelelemente über der Bühne erinnern insbesondere zu Beginn des Halbfinals an ein ähnliches Element beim Gewinnerbeitrag von Loreen im vergangenen Jahr. 

Die oberen Bühnenelemente kommen vor allem bei den Eröffnungsliedern zum Einsatz
Die oberen Bühnenelemente kommen vor allem bei den Eröffnungsliedern zum Einsatz Foto: Jessica Oé

Doch die Spitzennote bei der Ausrichtung bekommt man nicht nur durch die tolle Technik. Moderatorin Petra Mede gehört nicht umsonst zu den beliebtesten Show-Hosts des ESCs und führt mit viel Witz gemeinsam mit Co-Moderatorin Malin Åkerman durch die Show, die Mede an Charme in nichts nachsteht. Die beiden verteilen im Laufe der Show nicht nur den ein oder anderen Seitenhieb, sondern zeigen vor allem viel Selbstironie.

Zur Show gesellen sich zudem ein paar richtig gute Vor- und Intervall-Acts. Das Dreiergespann Eleni Foureira, Eric Saade und Chanel liefern einen fulminanten Start und bringen sogar den steifsten ESC-Fan zumindest zum Mitwippen. Der Auftritt von Johnny Logan ist eine Hommage an frühere ESC-Shows, auch wenn seine Neuinterpretation von Loreens „Euphoria“ nicht nach jedermanns Geschmack ist. Ob die Schwedin sich wohl im Finale mit einer neuen Version von Logans Hits revanchiert? Das erste Halbfinale macht auf jeden Fall Lust auf mehr!

Die ESC-Moderatorinnen Malin Åkerman und Petra Mede
Die ESC-Moderatorinnen Malin Åkerman und Petra Mede Foto: Jessica Oé

Die Konkurrenten im Überblick

Zypern eröffnet mit einem energiegeladenen Auftritt das Line-up der diesjährigen Beiträge. Silia Kapsis liefert eine gute stimmliche Leistung ab und zeigt, dass sie auch tänzerisch so einiges kann. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat sie auch noch vier Tänzer in der Hinterhand, die sich beim Höhepunkt des Auftritts die Hemden vom Leib reißen. Sexy Tänzer sind halt eine beliebte Waffe im ESC-Fight. 

Serbiens Teya Dora hat in der ersten Hälfte des Halbfinals beileibe keinen einfachen Stand. Ihre Ballade geht aufgrund der stärkeren Beiträge nach ihr etwas unter. Die Inszenierung wirkt vor allem vor Ort in der Arena sehr statisch. Die Kameras helfen ihr zwar etwas aus, doch die Performance bleibt, im Vergleich mit den anderen Auftritten nach ihr, ziemlich unspektakulär. 

Litauen überzeugt mit einer Rave-Party. Der Auftritt von Silvester Belt wirkt allerdings im Fernsehen wesentlich dynamischer als live vor Ort. Sicherlich ein Song, der in den kommenden Jahren häufiger in ESC-Klubs zu hören sein wird. Die Fans schwenken auf jeden Fall fleißig die LED-Bändchen. 

Irland will seinen achten Sieg wohl mit einem Pakt mit dem Teufel heraufbeschwören. Der gruselige Auftritt von Bambie Thug erzählt ihre Geschichte auf eine beeindruckende Art. Mehrfach wird die theatralische Inszenierung im Presseraum gelobt – und kommt bei den Fans vor Ort gut an. Es gibt extralauten Applaus. 

Irland setzt mit Bambie Thug auf Horrorelemente und schwarze Magie
Irland setzt mit Bambie Thug auf Horrorelemente und schwarze Magie Foto: Jessica Oé

Großbritanniens Auftritt wirkt fast wie ein Musikvideo. Es ist eine der Darbietungen, die am meisten auf die Kameras ausgelegt sind. Das wurde teilweise von Fans kritisiert, die am Montag in der Generalprobe mit dabei waren. Stimmlich kann Olly Alexander absolut überzeugen. Doch bleibt abzuwarten, wie die Performance, die offensichtlich sehr LGBTQIA+-freundlich ausgerichtet ist, beim breiten Publikum am Samstag ankommen wird – vor allem in konservativeren Ländern. Der Beitrag ist als einer der „Big Five“ sowieso fürs Finale gesetzt. 

Die Ukraine gehört nicht umsonst zum Favoritenkreis auf den Gesamtsieg. Der Auftritt ist live und auf dem Bildschirm richtig beeindruckend und die Kombination aus klassisch gesungenen Elementen von Jerry Heil und dem Rap von Alyona Alyona hat viel Appeal fürs Publikum. 

Polen bringt in diesem Jahr ein paar „Alice im Wunderland“-Vibes mit. Die zwei riesigen Wachtürme gehören zu den größten Requisiten in diesem Jahr. Ein solider Beitrag, der ebenfalls den Sprung ins Finale ohne größere Hürden meistern sollte. 

Kroatien liefert gleich im Anschluss den Party-Knockout-Song. Im Pressezentrum und vor Ort werden die Lyrics laut mitgesungen. Um den Finaleinzug muss sich Baby Lasagna definitiv keine Sorgen machen. 

Kroatien sorgt mit Baby Lasagna für eine spektakuläre Show
Kroatien sorgt mit Baby Lasagna für eine spektakuläre Show Foto: Jessica Oé

Island hat in diesem Jahr wirklich kein Glück mit dem Startplatz beim ersten Halbfinale. Auf vier Acts, die einen richtig vom Hocker reißen und zum Mitsingen aufmuntern, folgt ein relativ seichter Feel-Good-Song, dessen klassische Bühnenperformance nicht viel weiterhilft. Dennoch wirkt Hera Björk, als hätte sie richtig Spaß, wieder dabei zu sein. 

Deutschland sollte besser darauf hoffen, dass sich „Firefighter“ von Nutsa Buzaladze (Georgien) beim zweiten Halbfinale qualifiziert. Denn die braucht es bei dem ganzen Feuer auf der Bühne. Isaak liefert bereits im Halbfinale eine gute Leistung ab, obwohl seine Teilnahme im Finale schon sicher ist. 

Slowenien gehört wohl zu den polarisierendsten Beiträgen dieses Jahr. Entweder man versteht Raivens Storytelling oder nicht. Der Song erinnert ein wenig an Irlands Auftritt, kann aber nicht mit dessen Drama und Kunstfertigkeit mithalten. Das Ende der Show wird zeigen, was das Publikum zu Hause von der Darbietung hält. Auf jeden Fall gibt es bei diesem Beitrag sehr viel Blickkontakt mit der Kamera. 

Finnland ist ebenfalls eine Sache des Geschmacks. Doch zumindest ist der Auftritt von Windows95man so „out there“, dass man, selbst wenn man den Kopf über den Beitrag schüttelt, irgendwie ein Lächeln auf den Lippen hat. Der Künstler selbst hat jedenfalls sehr viel Spaß auf der Bühne. 

Moldau ist einer der schwächsten Auftritte in diesem ersten Halbfinale. Das Lied von Natalia Barbu kann mit den Konkurrenten nicht mithalten und auch die Inszenierung lässt zu wünschen übrig. Zu statisch und ohne große Unterstützung wirkt Barbu auf der Bühne fast wie verloren. Schade, denn stimmlich hat die Sängerin was drauf. 

Schwedens Auftritt ist, wie auch bei Großbritannien, zumindest am Anfang nicht so schön für die Fans vor Ort. Was im Fernsehen gut aussieht, übersetzt sich auf der Bühne als Gittergeflecht, durch das die Fans nur Millimeter von den Gunnarsen-Zwillingen zu sehen bekommen. Erst als die „Wände“ an die Seite der Bühne gefahren werden, geht die Post in der Arena wirklich ab. Die Inszenierung à la „Matrix“, die sich Marcus & Martinus so gewünscht haben, wie sie dem Tageblatt selbst erzählt haben, kann für die Augen ziemlich anstrengend werden. 

Aserbaidschan leidet ebenfalls zwischen einer Mischung aus einem schwächeren Song und einer ziemlich unspektakulären Inszenierung. Abwarten, ob das Publikum das anders sieht.

Australien komplettiert das schwache Dreiergespann in der zweiten Hälfte des Dienstagabends. Electric Fields gehören zwar zu den sympathischsten Künstlern hier vor Ort, doch irgendwie wirkt der Auftritt trotz der Farbexplosion und Zaachariaha Fieldings beeindruckender Stimme sehr flach. 

Portugal hält es mit einem Schwarz-Weiß-Konzept eher simpel
Portugal hält es mit einem Schwarz-Weiß-Konzept eher simpel Foto: Jessica Oé

Portugal spielt die Platzierung im ersten Halbfinale in die Karten. Dadurch dass Slimane aus Frankreich erst am Donnerstag auftreten wird, ist die einzige Ballade, mit der Iolandas Auftritt in direkter Konkurrenz steht, Serbiens Beitrag zu Beginn der Show. Doch der A-cappella-Teil am Anfang und die eindringliche Art der Künstlerin werten den Auftritt sehr auf, insbesondere im direkten Vergleich mit den schwächeren Vorsongs und Talis deutlich schnellerem Song danach. 

Im Finale stehen

Und nach etwas mehr als zwei Stunden steht fest: Serbien, Portugal, Slowenien, die Ukraine, Litauen, Finnland, Zypern, Kroatien, Irland und am Ende endlich Luxemburg. Überraschend ist sicherlich das Ausscheiden von Polen sowie das Weiterkommen von Serbien und Slowenien. Wettbüros hatten Polen und Australien statt den nun qualifizierten osteuropäischen Staaten im Finale gesehen. Doch das zeigt wieder einmal: Das Publikum zu Hause ist nicht so einfach einzuschätzen. 


*Alle Fotos dieses Artikels stammen von den Generalproben am Montag, da am Dienstag nur die übertragenden Fernsehsender während des Halbfinals in der Arena zugelassen waren.