NutellaNach 60 Jahren immer noch modern – Über die Geschichte der Nuss-Nougat-Creme aus dem Piemont

Nutella / Nach 60 Jahren immer noch modern – Über die Geschichte der Nuss-Nougat-Creme aus dem Piemont
Am Anfang war der bekannte Brotaufstrich eine Notlösung der Nachkriegszeit Foto: Tageblatt-Archiv

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Glückliche Kinderaugen, beschmierte Münder – ein Phänomen feiert am 20. April seinen 60. Geburtstag: Nutella.

Die Nussnougatcreme aus dem italienischen Piemont ist irgendwann einmal im Leben eines jeden europäischen Haushalts aufgetaucht, doch auch jenseits des alten Kontinents macht der süße Brotaufstrich unaufhaltsam seine Runde. Ob direkt aufs Brot gestrichen, ob auf eine Trennschicht aus Butter oder Margarine, ob auf eine Crêpe oder als Füllung eines Croissants – die Philosophie seiner Nutzung ist nahezu unendlich.

2015 war für unseren Sohn nicht das entscheidendste, aber doch ein wichtiges Jahr seiner schulischen Laufbahn: Mit dem Eintritt in die oberste Stufe des „Liceo delle Scienze umane“ erhielt er de facto nicht nur die Mittlere Reife, sondern auch die offizielle Erlaubnis, sich fortan am Kaffeeautomaten, der in jeder italienischen Schule zu finden ist, zu bedienen. Im selben Jahr gab es zur 10-Uhr-Frühstückspause eine Neuentwicklung aus dem Hause Ferrero: Nutella-B-ready. Es war ein wahrhaft revolutionäres Ereignis im schulischen Alltag. Nicht nur, dass es jetzt den begehrten Cappuccino gab – um die nächsten Stunden schadlos an Geist zu überstehen –, dazu wurde auch noch der mit Nutella gefüllt Stick gereicht: Keine klebrigen Hände und verklebten Zähne mehr!

Nutella ist aus einem italienischen Haushalt nicht wegzudenken. Eine Brioche mit dem süßen, nussigen Brotaufstrich gehört ebenso zur „prima colazione“, zum ersten Frühstück, wie die dick mit Nutella bestrichene Crêpe das abendliche Essen beschließen kann. Dabei war der weltweit bekannte Brotaufstrich am Anfang doch nur eine Notlösung der Nachkriegszeit.

Aus der Not geboren

1946, der Zweite Weltkrieg war in Italien kaum zwei Jahre beendet, suchte der Pasticcere Pietro Ferrero nach einer Ersatzlösung für Schokoladenpralinen. Im piemontesischen Alba kam dem pfiffigen Konditor die Idee, aus den einheimischen Haselnüssen eine schmackhafte Alternative zu kreieren. Mit Fett, Zucker und eben gemahlenen Haselnüssen stellte Ferrero seine Pasta Gianduja vor: Eine Nougatcreme, die sich sowohl in Pralinen als auch als Brotaufstrich nutzen ließ. Die von Pietro Ferrero hergestellte Rohmasse wurde damals in Aluminiumfolie verpackt auf den Markt gebracht.

Fünf Jahre später benannte der damals noch kleine Handwerksbetrieb sein Produkt in „Supercrema“ um. Auch die Verpackung änderte sich, die Creme wurde jetzt in klaren Gläsern verkauft, 600 Lire das Stück. Ferrero versprach mit seiner „Supercrema“ ein nahrhaftes, Intelligenz förderndes Produkt, das zu Zeiten des Nachkriegshungers mit 5.100 Kalorien je Glas die Lösung aller Frühstücksprobleme versprach. Im Jahr 1962 verbot ein italienisches Markengesetz die Verwendung des Ausdrucks „Super“ in Nahrungsmitteln. Michele Ferrero, Sohn des Erfinders Pietro, kam auf die bis heute grandiose Idee, die Nusscreme „nutella“ zu benennen. Von Anfang an war das Markenzeichen klar: Das schwarze „n“ stand für den Ausgangsstoff Nuss, während die übrigen Buchstaben in einem satten, leuchtenden rot gedruckt sind. Die Farbe, so die Firma, sollte für Kraft, Lebensfrohsinn und Glück stehen.

Glück vor allem hat Nutella den Firmeneignern von Ferrero gebracht. Bis heute ist die Frühstückscreme das Flaggschiff des Unternehmens. Mehr als 400 Millionen Gläser Nutella werden jährlich in den inzwischen elf Produktionsstätten des Ferrero-Konzerns weltweit hergestellt.

Nutella und Nudossi

In Deutschland kamen die ersten Nutella-Gläser in der bis heute klassischen Form 1965 in die Regale der Geschäfte. Seinerzeit im Osten des Landes lebend, bekam ich davon nur aus der Fernsehwerbung Kenntnis: Der Eiserne Vorhang trennte nicht nur die Systeme, sondern ließ auch den cremigen Brotaufstrich nicht durch. Zwei Jahre nach der bundesdeutschen Markteinführung ließ sich SED-Parteichef Walter Ulbricht aus Anlass des VII. Parteitags jedoch neue Konsumgüter präsentieren. In großen Traglufthallen wurden nicht nur Mopeds und Autos ausgestellt, sondern neben der inzwischen legendären Club-Cola auch ein nussiger Brotaufstrich namens Nudossi. Ein Markenartikel, der von da ab nicht nur bis zum Ende der DDR, sondern bis heute auch die Wendezeit überlebt und seine Anhänger gefunden hat. Die Creme aus der Dresdner Süßwarenfabrik Vadossi (heute Sächsische und Dresdner Back- und Süßwaren) trennt die Fans des nussigen Brotaufstrichs: Nudossi hat einen höheren Nuss- und dabei einen geringeren Zuckergehalt als das italienische Pendant. Den Marktanteil von Nutella konnte das sächsische Produkt jedoch nicht einmal innerhalb der deutschen Grenzen erreichen. In den neuen Bundesländern ist Nudossi allerdings immer noch beliebt. Kein Wunder, meinen manche Witzbolde, ist ja der „Ossi“ schon drin.

Einst aus der Not geboren, bringt Nutella seinen Herstellern heute jährlich Millionen ein. So beliebt der Brotaufstrich auch ist, unumstritten war er während der 60 Jahre seines Marktbestehens nicht immer. Greenpeace Italien warf Ferrero vor, Regenwälder abzuholzen, um Ölpalmenplantagen anlegen zu können. Auf die nachdringliche Intervention der Umweltschutzorganisation verpflichtete sich der Konzern schließlich zur Kampagne „Nutella schützt den Regenwald“. Aus der Ferrero-Zentrale ist zu hören, das Unternehmen verwende nur Palmöl aus zertifiziertem Anbau.

Politikum Nutella

Auch die Werbestrategie für Nutella war teils umstritten. Der Konzern warb für ein gesundheitsförderndes Image der Creme. In Fernsehwerbungen ließ Ferrero Kinder auftreten, die behaupteten: „Nutella is smashing“ in Großbritannien, in den USA sagt Jimmy: „Nutella is great“, in Moskau Ivan: „Нутэлла-это вкусно“ (Nutella schmeckt) und in Österreich Herbert: „Nutella ist guat“. Eine amerikanische Mutter sah dies anders und verklagte den Konzern auf Schadensersatz für die Behauptung, das Produkt sei gesund. Ferrero musste drei Millionen Dollar zahlen.

Politischen Eklat im eigenen Lande löste der rechtspopulistische Lega-Chef Matteo Salvini aus. Der heutige Stellvertreter der Regierungschefin Giorgia Meloni erklärte, er werde künftig kein Nutella mehr essen. Er habe die Creme zwar immer geliebt, doch seit sie überwiegend aus türkischen Haselnüssen hergestellt werde, sei sie für ihn kein italienisches Produkt mehr. In der Tat sichert sich Ferrero jährlich ein Drittel der etwa 700.000 Tonnen umfassenden türkischen Haselnussernte – bei dem wachsenden Produktionsaufkommen von Nutella vermag die einheimische Ernte den Bedarf einfach nicht zu decken.

Und selbst, wenn Salvini künftig kein Nutella-Brot mehr essen sollte, wird es sowohl im Inland als auch jenseits der Grenzen genügend Liebhaber geben, die Tag für Tag die klassischen 200-Gramm-Gläser kaufen. Oder auch die größeren, die man manchmal in den Auslagen bewundern kann: Von 1-Kilogramm- bis zum 5-Kilogramm-Gebinde kann man die bekannte Form des Nutella-Glases finden. Zum Jubiläum will Ferrero eine Sonderausgabe auf den Markt bringen, doch über deren Aussehen hüllt sich das Unternehmen bislang noch in Schweigen.

Unternehmen mit Sitz in Luxemburg

Nutella ist, neben „Rocher“, „TicTac“ oder „Kinder“, eine der Marken des aus Italien stammenden Unternehmens Ferrero. Seit 1997 hat die Gruppe ihren Firmensitz in Luxemburg. Im Gebäudekomplex „Casa Ferrero“, zwischen Findel und Autobahn, arbeiten rund 1.500 Mitarbeiter. Tätig sind sie in Bereichen wie Marketing, Verwaltung der Forschung, Recht. Alle operativen Entscheidungen der Gruppe, die weltweit rund 50.000 Mitarbeiter zählt, werden hier getroffen. Der Geschäftsführer sitzt hier. Nur produziert wird in Luxemburg nicht.

Dass der Konzern seinen Sitz in Luxemburg hat, geht bis auf die 70er Jahre zurück. Damals war Michele Ferrero, unter dessen Führung das Unternehmen zu einem Weltkonzern wurde, neben Italien auf der Suche nach einem Zugang für die Märkte Frankreich und Deutschland. Dass Luxemburg gleichzeitig so nahe an Belgien, mit seinen Schokoladenproduzenten, lag, war passend. Auch die kulturelle und sprachliche Vielfalt spielten eine Rolle. Die Entscheidung für Luxemburg war strategisch.

Angefangen hatte die Geschichte des Unternehmens, das auch heute immer noch ein Familienunternehmen ist, hierzulande mit einem kleinen Büro nahe dem Bahnhof. Erzählungen zufolge führten Michele Ferrero seine Besuche in Luxemburg immer auch in die Supermärkte der Nachbarländer. Dort wollte er sich die Angebote der Konkurrenz anschauen.

Mit der Zeit und viel internationalem Wachstum ist die Gruppe auch hierzulande gewachsen, und in mehrere Gebäude nahe dem Findel umgezogen. Vor wenigen Jahren dann in den neuen Hauptsitz „Casa Ferrero“. Das Unternehmen ist weiter am Wachsen: Rund 250 neue Mitarbeiter sollen letztes Jahr eingestellt worden sein.   (cm)

Plop Poulpy
21. April 2024 - 19.37

Ech kann mech erenneren, dass virun kurzer Zeit Nutella als schiedlech dohigestallt gouf 🤔