BefortKaffee aus dem Kuhstall: Wie Patrice Sadler seine eigene Rösterei gegründet hat

Befort / Kaffee aus dem Kuhstall: Wie Patrice Sadler seine eigene Rösterei gegründet hat
Der Röster von Patrice Sadler hat seinen Platz an einem eher ungewöhnlichen Ort gefunden Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Einen alten Stall und einen Röster – das ist alles, was Patrice Sadler braucht, um mehrere 100 Kilogramm Kaffee pro Monat zu rösten und zu verschicken. Das Tageblatt hat bei einem Besuch in Befort erfahren, was ihn antreibt und was seinen Kaffee auszeichnet.

Kaffeebohnen sind grün, bevor sie geröstet werden und ihre typische hell- bis dunkelbraune Farbe bekommen
Kaffeebohnen sind grün, bevor sie geröstet werden und ihre typische hell- bis dunkelbraune Farbe bekommen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Nichts würde auf den ersten Blick darauf hinweisen, dass an diesem Ort jeden Monat mehrere 100 Kilo Spezialitätenkaffee geröstet werden. Nur ein kleines Schild vor der Hoftür eines alten Bauernhofs in Befort verrät, dass Patrice Sadler hier am Werk ist. Um in das Reich des Kaffeerösters zu gelangen, muss zuerst der Hof überquert werden. Denn die Rösterei versteckt sich hinter einer unauffälligen Stalltür. Als Erstes ist es der Geruch, der verrät, was hier passiert. Dann fällt der Blick schnell auf die vielen Säcke mit grünen Kaffeebohnen und die große Röstmaschine am Ende des Raumes.

Patrice Sadler bietet bei der Begrüßung erstmal Kaffee an – natürlich. Die Wahl fällt auf Bohnen aus dem Kongo: floral, leicht und fruchtig. Draußen bedecken graue Wolken den Himmel, im alten Kuhstall ist es kühl. Sadler trägt an diesem typischen Luxemburger Wintertag eine grün karierte Jacke, Kapuzenpulli, blaue Jeans und Arbeitsschuhe. Seine Rösterei aber ist alles andere als gewöhnlich. 

600 Kilo grüne Arabica-Bohnen warten gerade darauf, geröstet zu werden. Eine Menge Arbeit, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Röster vier Kilo fasst. Die Maschine steht am Ende des Raumes. Sadler schaltet sie an. Sofort ist ein Surren zu hören. Doch bevor er loslegen kann, muss die Trommel erst die gewünschte Temperatur erreichen. Pro Stunde schafft er ungefähr 16 Kilo, sagt Sadler. Im Jahr 2023 waren es insgesamt 3,7 Tonnen grüne Kaffeebohnen, die er verarbeitet hat. 2,7 Tonnen sind 2022 durch den Röster gelaufen und 2021 waren es 1,7 Tonnen. 

Erste Versuche mit der Popcorn-Maschine

Spezialitätenkaffee

Der Begriff „Specialty Coffee“ wurde von der Specialty Coffee Association (SCA) geprägt und beschreibt die Qualität des Kaffees. Die SCA hat ein Bewertungssystem für die Qualität von Kaffee entwickelt: Dieser wird auf einer Skala von null bis 100 bewertet. Kaffee ab einem Score von 80 Punkten gilt als Spezialitätenkaffee. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kaffee wird hier viel Wert auf die Herkunft und die damit einhergehenden Geschmacksprofile gelegt.

Zum ersten Mal ist Sadler durch einen Job in einer Rösterei mit Spezialitätenkaffee (siehe Infobox) in Berührung gekommen. Schnell merkt er da: „Ich will meinen eigenen Kaffee rösten.“ Deswegen kauft Sadler sich eine Popcorn-Maschine und wagt mit dieser seine ersten Versuche. Um seinem Ziel näherzukommen, wird er Barista in einem Café der Rösterei „Knopes“ in Luxemburg-Stadt und lernt dort das Handwerk des Kaffeezubereitens.

Der Schritt in die Unabhängigkeit kommt dann 2019. Mit 100 Kilo grünem Kaffee im Gepäck fährt er zwei Stunden mit dem Auto nach Pont-à-Mousson in Frankreich, wo er sich einen Röster mieten kann – und kehrt mit ungefähr 80 Kilo geröstetem Kaffee zurück. Ein erwartbarer Verlust. Denn mindestens 16 Prozent der Masse gehen beim Rösten jedes Mal verloren, sagt Sadler. Schnell vergrößert er in der Anfangszeit mit Online-Marketing und kostenlosen Kaffeeaktionen seinen Kundenstamm: „Manche Kunden bestellen seitdem immer noch Kaffee bei mir“, sagt Sadler.

Als dann die Covid-19-Pandemie ausbricht und die Grenzen schließen, muss ein anderer Plan her. Patrice Sadler fährt kurzerhand in die Niederlande und kauft sich dort seinen aktuellen Kaffeeröster. Mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne kann er dann im November 2021 in den alten Kuhstall in Befort ziehen. Diesen kann er von seiner Heimatgemeinde für einen erschwinglichen Preis mieten.

Geschmack ist nicht alles

Im Kaffeeröster von Patrice Sadler werden Bohnen aus vielen verschiedenen Ländern geröstet
Im Kaffeeröster von Patrice Sadler werden Bohnen aus vielen verschiedenen Ländern geröstet Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Schaut man sich im Stall um, entdeckt man ein Poster des „Coffee Taster’s Flavor Wheel“ an der Wand. Das farbenfrohe Rad gilt als Goldstandard für alle Menschen, die mit Kaffee arbeiten. Denn es hilft bei der Bestimmung von spezifischen Aromen in Kaffeesorten. Auch Patrice Sadler musste erst mal lernen, dass Kaffee sehr unterschiedlich schmecken kann: „Ich habe damals in der Rösterei herausgefunden, dass Kaffee Säure besitzen kann, dass er fruchtig sein kann, dass er interessant sein kann.“

Sadler bietet eine breite Palette an Kaffeesorten an: aus Kenia, Äthiopien, Kongo, Ruanda, Brasilien, Nicaragua, Kolumbien, Peru und Indien. Mit geübten Bewegungen holt er ein paar luftdichte Behälter hervor und zeigt die unterschiedlichen Sorten. Doch wie hat er eigentlich sein Handwerk gelernt? „Rösten lernt man, indem man es macht“, sagt er und lacht. Das heißt vor allem eins: ausprobieren. Mittlerweile gelingt es ihm aber relativ schnell, das richtige Röstprofil zu finden.

Den grünen Kaffee bezieht Patrice Sadler von einem Unternehmen, das direkt mit den Kaffeebauern zusammen arbeitet und sehr transparent ist. Denn es ist nicht der Geschmack, der für Patrice Sadler an oberster Stelle steht. „Für mich ist wichtiger, dass die Kaffeebauern angemessen bezahlt werden.“ Sie sollen von ihrer Arbeit gut leben können, sagt er. Deswegen will er genau wissen, wo der Kaffee herkommt und wie viel Geld die Erzeuger erhalten. Die Kaffeebauern, die seinen Händler beliefern, verdienen mindestens das Doppelte, wenn nicht das Dreifache des herkömmlichen Preises, sagt der Röster. Außerdem werden sie sofort bezahlt. „Bei herkömmlichen Händlern müssen die Bauern oft noch ein Jahr auf ihre Bezahlung warten“, sagt Sadler. 

Besondere Beziehung zu den Kaffeebauern

Das Endprodukt: eine Packung gerösteter Kaffee aus dem Kongo
Das Endprodukt: eine Packung gerösteter Kaffee aus dem Kongo Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Röstmaschine ist mittlerweile auf Temperatur und Patrice Sadler kippt grüne Bohnen in den Trichter. Währenddem kommt er auf seine Begegnungen mit den Bauern zu sprechen. Auf Kaffeemessen traf er auf Erzeuger aus Kenia, Äthiopien sowie Peru. Und erhielt Einladungen für einen Besuch.

Doch ein Treffen ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Der Kaffeeröster hat vergangenes Jahr eine Reise in den Südwesten Kolumbiens angetreten: „Im Juli 2023 habe ich in Génova auf der Farm von Juan Pablo Lasso Argote gearbeitet“, erzählt er. Der Besuch in Kolumbien hat Sadler sichtbar begeistert. „Du kommst dorthin und arbeitest einfach mit“, sagt er. So hatte er die Gelegenheit, alle Arbeitsprozesse des Kaffeeanbaus kennenzulernen: Kaffeebäume pflanzen und pflegen sowie Früchte ernten und trocknen.

Während er erzählt, passt Sadler die Temperatur in der Trommel immer wieder an. „Ich selbst mache nur einen ganz kleinen Teil der Arbeit“, sagt er. „Die Bauern machen den Großteil.“ Auch auf seiner Webseite stellt Patrice Sadler die Kaffeebauern in den Vordergrund. Denn er will zeigen, dass sehr viele Hände an der Herstellung dieses Produkts beteiligt sind. Als der Röstvorgang nach ungefähr 15 Minuten beendet ist, öffnet er eine Klappe und die Bohnen fallen in das Kühlsieb. Der Raum füllt sich mit dem Duft frisch gerösteten Kaffees.