SchottlandJohn Swinney wird neuer Ministerpräsident

Schottland / John Swinney wird neuer Ministerpräsident
Besonnenheit im aufgewühlten Nationalistenlager: Der neue SNP-Vorsitzende John Swinney gilt als ausgeglichen Foto: AFP/Andy Buchanan

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Die Scottish National Party (SNP) geht unter der Leitung eines Veteranen in die Zukunft. Ohne Gegenkandidaten wurde am Montagmittag der frühere langjährige Regierungsvize John Swinney zum neuen Parteivorsitzenden gekürt.

Damit endete nach nur einer Woche die Krise, die der eilige Rücktritt des noch amtierenden Ministerpräsidenten Humza Yousaf heraufbeschworen hatte. Noch diese Woche will Swinney dem Vorgänger auch im höchsten Regierungsamt nachfolgen; angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Edinburgher Parlament gilt seine Wahl als gesichert.

Yousaf war nach nur 13 Amtsmonaten über sein eigenes Unvermögen gestolpert. Auslöser der aktuellen Krise war die abrupte Art, mit der er die Koalition seiner SNP mit den Grünen beendete. Weil den Nationalisten im Parlament zwei Mandate zur absoluten Mehrheit fehlen, sind sie auf die Zusammenarbeit mit anderen Parteien angewiesen.

Swinney hat es in der Krise seiner Partei geschickt verstanden, etwaige Konkurrentinnen einzubinden. Das gilt vor allem für die frühere Finanzministerin Kate Forbes, die bei der Parteivorsitzenden-Wahl vor Jahresfrist Yousaf nur knapp unterlegen war. Seiner „höchst talentierten“ Konkurrentin werde er ein „signifikantes Ressort“ anbieten, umschmeichelte Swinney öffentlich die erst 34-Jährige, die daraufhin den Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur erklärte. Übers Wochenende hatte noch der frühere Rechtsanwalt und langjährige Parteiaktivist Graeme McCormick mit einer möglichen Kandidatur von sich reden gemacht. Auch dies verstand Swinney zu verhindern.

Dabei konnte sich der erfahrene Politiker auf seine Jahrzehnte langen Erfahrungen in der Partei verlassen. Der in Edinburgh geborene Swinney trat schon mit 15 Jahren den damals ganz unbedeutenden Nationalisten bei und war für deren Jugendorganisation tätig, ehe er 1997 für die SNP ins Unterhaus und zwei Jahre später ins damals neu konstituierte schottische Parlament einzog. 2000 übernahm er erstmals den Parteivorsitz, agierte aber glücklos und schmiss nach vier Jahren den Bettel wieder hin.

Keine Kampfkandidatur

Vorgänger und Nachfolger gleichermaßen war der charismatische Alex Salmond, der die SNP 2007 an die Regierung und 2014 zum Unabhängigkeitsreferendum führte. Ihm wie auch dessen Nachfolgerin Nicola Sturgeon diente Swinney 16 Jahre lang treu als Finanz- und Bildungsminister sowie Regierungsvize. Erst im vergangenen Jahr hatte er sich auf die Hinterbänke der Fraktion zurückgezogen.

Ruhe und Besonnenheit, sein Mangel an rauschender Rhetorik, sein ausgleichender Charakter – all jene Eigenschaften, die dem gläubigen Katholiken und Vater von drei Kindern bisher im Weg standen, gelten im aufgewühlten Nationalistenlager plötzlich als Tugenden. Jedenfalls sieht das die Partei-Elite so, glaubt Politikprofessorin Nicola McEwan von der Uni Glasgow: „Die haben aufgeatmet, als feststand, dass es zu keiner Kampfkandidatur kommen wird.“ Hingegen löse Swinney bei den auf Veränderung hoffenden Mitgliedern „wenig Begeisterung“ aus, analysiert der deutsche Soziologe Jan Eichhorn von der Uni Edinburgh. Im Bildungsressort habe er „nichts, gar nichts“ erreicht; seine Wahl stelle „ein Eingeständnis des Versagens als Partei“ dar.

Dass sich die Nationalisten einem kürzlich 60 Jahre alt Gewordenen anvertrauen, läuft dem Trend der Politik auf den britischen Inseln zuwider. Dort haben die Parteien zuletzt gern Menschen um die 40 zu ihren Vorsitzenden gewählt. Swinneys Vorgängerin Nicola Sturgeon übernahm den SNP-Vorsitz und das Amt der Ministerpräsidentin mit 44 Jahren, die gescheiterte Zwischenlösung Humza Yousaf war beim Amtsantritt 38.

Keine Loslösung von London

In der Republik Irland folgte der 37-jährige Simon Harris bei der konservativen Fine Gael auf Leo Varadkar, der bei seinem ersten Amtsantritt 38 Jahre zählte, ins höchste Partei- und Regierungsamt. Die größte Protestantenpartei Nordirlands DUP wird seit Karfreitag vom 39-jährigen Gavin Robinson geführt. In London zog vor zwei Jahren Liz Truss, damals 47, in die Downing Street ein, nach wenigen Wochen gefolgt vom damals 42-jährigen Rishi Sunak. Dagegen wirkt der kürzlich ins Amt gekommene walisische Ministerpräsident Vaughan Gething mit seinen 50 Jahren schon vergleichsweise alt.

Der demnächst ins Amt kommende neue schottische Ministerpräsident will die SNP auf Mitte-links-Kurs halten. Er werde „alles geben für den Dienst an meiner Partei und meinem Land“, sagte John Swinney am Montag in Glasgow. Die ersehnte Loslösung von London sei „frustrierend nahe“, hatte sein Vorgänger Yousaf in seiner Rücktrittserklärung behauptet. „Glatter Unsinn“, heißt es dazu aus Swinneys Lager: Zwar ermitteln Umfragen regelmäßig rund 45 bis 50 Prozent Unabhängigkeits-Befürworter unter den Schotten. Den Weg dorthin über ein zweites Referendum aber haben die Londoner Zentralregierung sowie der Supreme Court bis auf Weiteres verlegt.