Eurovision„Einfach das Ei abfackeln“: Finnlands Teemu Keisteri (Windows95man) und Henri Piispanen im Interview

Eurovision / „Einfach das Ei abfackeln“: Finnlands Teemu Keisteri (Windows95man) und Henri Piispanen im Interview
 Foto: EBU/Corinne Cumming

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wie geht es euch an diesem Mittwochmorgen? 

Teemu: Wir sind so glücklich! Es war toll zum Frühstück zu gehen, die anderen Künstler zu sehen, sich gegenseitig zu gratulieren und zu umarmen. Wir sind hier wirklich eine große Familie. Ich bin froh, dass wir mit unserer Kunst ins Finale gewählt wurden. Wir waren auf der Bühne nur wir selbst und hatten Spaß. Und dann konnte Europa entscheiden, ob es das mag oder nicht. Und sie haben es scheinbar gemocht. Das ist toll. 

Habt ihr mit dem Prinzip „no rules“ am Ende nicht doch eine Regel? 

Henri: Das ist die einzige Regel. So steht’s ja auch in unseren Lyrics. 

Was entstand bei eurem Song zuallererst?

Henri: Oh die Frage sollte unser Producer Jussi Roine beantworten. 

Jussi: Das „no rules“-Ding. Das kam von Teemu.

Das Prinzip „no rules“ scheint dich schon länger zu begleiten?

Teemu: Eigentlich schon mein ganzes Leben. Als Kind wurde ich viel in der Schule für meine Art kritisiert. Ich war sehr vergesslich und chaotisch, wurde deswegen gehänselt. Und da habe ich mir „no rules“ als Motto gegeben, um meinen Platz im Leben zu finden. Ich brauche also keinen echten Job, sondern kann einfach malen, Gigs und kleine Arbeiten machen – einfach meine Art zu leben, leben. Und auf meine ganz eigene Art zum ESC zu kommen. 

Bist du eher ein Künstler, der auch zufälligerweise ein wenig Musik macht?

Teemu: Genau. Es ist einfach nur eins von vielen Werkzeugen, um meine Kunst zu leben. 

Was ist denn dein Lieblings-„Werkzeug“?

Teemu: Eigentlich mehr die Videokunst. Und der ESC ähnelt dem stark. Du kannst tanzen, improvisieren, singen und performen. 

Henri: Mit einer guten finanziellen Unterstützung. 

Teemu: Genau. Er lacht. Aber ich kann auch meine visuelle Kunst miteinbringen. Auf meinem Rücken zum Beispiel ist Ukkeli (ein grafisches Element, dass Teemu in Finnland den künstlerischen Durchbruch gebracht hat, Anm. d. Red.). 

Wie kommt es, dass ihr beide zusammengefunden habt?

Teemu: Ach das war ein glücklicher Zufall. Beide lachen. 

Henri: Ich war befreundet mit dem Song-Composer Jussi. Und Jussi und Teemu sind befreundet, respektive …

Teemu: Jussi ist mein Boss. 

Henri: Dann wurde ich drum gebeten, den Song mitzuproducen. Ich hab ein paar Demo-Vocals reingeschickt, wir haben uns im Studio getroffen. Und das war es. Wir hatten uns gefunden. 

Teemu: Dann haben wir im August unsere Demo reingeschickt und uns gedacht: Wunderbar. Damit ist das abgehackt. Denn nach Käärjiä dachten wir, dass ganz Finnland Demos reinschicken wird und wir sind nur ein kleines Indie-Label. Welche Chance haben wir schon zum ESC geschickt zu werden. 

Henri, du bist in Finnland unter anderem für dein Voice Acting bekannt.

Genau. Ich mache das jetzt schon seit 25 Jahren, ungefähr seit ich vier Jahre alt war. Es ist einfach natürlich für mich, meine Stimme auf unterschiedliche Art zu nutzen. Gesungen habe ich schon mein ganzes Leben. Meine Eltern sind beide Musiker, da ist es kein Wunder, dass es bei uns zu Hause nie still war.

Wie hat dich das auf den ESC vorbereitet?

Ich glaube, dass das Voice Acting meiner Stimme die nötige Ausdauer gibt. Weil ich muss ziemlich schmettern … 

Weil Teemu so laut ist?

(Beide lachen.) Genau. 

Teemu: Nur damit er mich nicht vergisst. 

Werden die Funken am Samstag noch stärker sprühen?

Teemu: Leider nicht. Wir können unsere Bühnenshow nicht mehr ändern. Aber wir hätten sicherlich nichts dagegen. 

Henri: Einfach das Ei abfackeln.

Teemu: Ha, genau! Aber wir müssen die anderen Künstler ja auch respektieren und ihnen erlauben, ihre Show abzuhalten. 

Habt ihr Bedenken, vom Funkenflug getroffen zu werden?

Teemu: Na ja, das passiert irgendwie dauernd. Mittlerweile habe ich schon eine ganze Reihe Brandnarben gesammelt. Mein Kostümdesigner sprayt jedes Mal mehr Brandschutz auf mich und meine Kleider. 

Woher kommen die Jeans-Shorts am Ende des Songs?

Henri: Es ist ein göttliches Geschenk. 

Teemu: Vom Denim-Gott. 

Aber die Jeans-Shorts sind schon länger mit dir verbunden, Teemu?

Ja, ich wurde durch das „Finnish Guy Dancing“ Video bekannt. Das ging sogar in den USA viral. „Funniest home videos“ strahlte es aus und ich hab seltsam viele gute Reviews bekommen. Das T-Shirt kam dann dazu, als ich auf einem Festival etwas herausstechen wollte. Und der Rest ist Geschichte. 

Henri, hat dich Teemu auch zum 90er-Fan gemacht?

Ja, absolut! Ich war schon früher ein Fan der 90er, aber jetzt noch mehr. 

Teemu, bei unserem Interview auf dem Türkisen Teppich hast du mir gesagt, die 90er wären deine glücklichste Zeit. Wieso?

Es war meine Kindheit, meine Teenagerjahre. Ich vermisse das damalige, langsamere Leben. Und das waren die Jahre, wo ich die Zeit hatte, einfach nur mit meinen Freunden abzuhängen, Spaß zu haben, Skateboard zu fahren, in die Natur zu gehen. Die Welt war weniger hektisch. Sehr viel mehr „no rules“ wie heute. Ich hoffe, das kommt zurück. 

Manche sehen in Windows95man nur einen Scherzbeitrag. Was entgegnest du diesen Menschen?

Du kommst nicht ins Finale, wenn alles nur ein Scherz ist. Ich versuche einfach nur, ich selbst zu sein. Und wenn ich lustig bin, dann bin ich zu 1.000 Prozent ich selbst. Diese Authentizität kommt an. 

Hat sich Microsoft schon als potenzieller Sponsor bei dir gemeldet?

Kein Kommentar. (lacht)