Der Schöpfer der Flüsterflitzer: In Kroatien werden die schnellsten Elektroautos der Welt gebaut

Der Schöpfer der Flüsterflitzer: In Kroatien werden die schnellsten Elektroautos der Welt gebaut

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Als Neuling hatte er in der kapitalintensiven Automobilindustrie eigentlich keine Chance, aber er hat sie konsequent genutzt: Ausgerechnet im Autoniemandsland Kroatien lässt der Jungunternehmer Mate Rimac die schnellsten Elektroautos der Welt fertigen. Seine Expertise macht den Elektromotorpionier auch für etablierte Automobilgiganten interessant.

In den unscheinbaren Werkshallen vor den Toren der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat die elektronische Automobilzukunft längst begonnen. Lautlos fräsen im Vorort Sveta Nedelja computergesteuerte CNC-Maschinen die Komponenten für die PS-starken Elektromotoren aus Aluminiumblöcken. Von Hand werden beim Hightech-Unternehmen Rimac Automobili hingegen die Karbonkarosserien für die millionenschweren Luxusschlitten geschichtet: Ausgerechnet im automobilen Niemandsland Kroatien werden die schnellsten Elektroautos der Welt entwickelt – und gefertigt.

Sorgfältig polieren zwei Monteure die tief liegenden Flanken des Supersportwagens Concept One. Vier Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 913 KW (1.224 PS) schlummern unter der schnittigen Karosserie des in einer Kleinstauflage von acht Exemplaren produzierten Luxusschlittens. Den 2013 erworbenen Titel als das am schnellsten beschleunigende Elektroauto der Welt hat das Kraftpaket allerdings bereits an seinen Nachfolger abgetreten. Zum Stückpreis von 1,2 Millionen Euro soll der im März beim Genfer Automobil vorgestellte Concept Two ab 2020 in einer Miniserie von 150 Exemplaren gefertigt werden: Vier Elektromotoren mit umgerechnet 1.915 PS beschleunigen das 412 Kilometer schnelle Highspeed-Gefährt innerhalb von 11,8 Sekunden von null auf Tempo 300.

Unbändiger Experimentierdrang

Der Schöpfer der futuristischen Flüsterflitzer ist Mate Rimac, gerade einmal 30 Jahre jung, trägt Bart – und spricht fließend deutsch: 1988 im bosnischen Livno geboren, hatte der Sohn eines kroatischen Bauunternehmers von 1991 bis 2000 den Großteil seiner Kindheit in Frankfurt am Main verbracht. Nach der Übersiedlung der Familie ins kroatische Samobor machte der Schüler bald durch seinen unbändigen Experimentier- und Tüfteldrang von sich reden. Von jedem internationalen Schülerwettbewerb kehrte der von dem serbisch-kroatischen Physiker Nikola Tesla faszinierte Nachwuchserfinder mit neuen Preisen und Anregungen zurück. Schon als Jugendlicher ließ Rimac seine erfolgreichen Erfindungen patentieren: wie den „iGlove“ – einen die Computertastatur und Maus ersetzenden Hightechhandschuh – oder einen Autorückspiegel, der den toten Winkel aufhebt.

Es war seine Leidenschaft für schnelle Autos, die ihn schon früh an leistungsstarken Elektromotoren basteln ließ. Als er 18 Jahre geworden sei, habe er einen 1984er BMW E30 erworben, um Rennen zu fahren, erzählt Kroatiens Unternehmer des Jahres. „Als der Motor bei einem Rennen den Geist aufgab, entschied ich mich, meine Leidenschaften zu kombinieren“, so Rimac: „Ich wollte zeigen, zu was Elektromotoren in der Lage sind – und wandelte meinen BMW in ein Elektroauto um.“

Zunächst war dem Tüftler nur der Hohn der Konkurrenz sicher. Was er mit seiner „Waschmaschine“ denn bei einem Rennen verloren habe, so die spöttischen Kommentare. Doch trotz zahlreicher Rückschläge glückte es ihm, die Leistungskraft des Motors und der Batterien zu verbessern. Rimac begann, Rennen zu gewinnen – und Rekorde zu brechen: Bald schaffte er mit seinem Elektro-BMW den Sprung ins Guinness-Buch der Weltrekorde.

Der schon länger gehegte Traum vom komplett selbst entwickelten Elektrosportwagen nahm nach einem Treffen mit dem italienischen Autodesigner Adriano Mudri konkretere Formen an. Pläne und Entwurfsskizzen seines ersten Mitarbeiters konnten zumindest einen ersten Geldgeber im fernen Abu Dhabi überzeugen: Dank dessen Anschubhilfe gelang es Rimac mit einer Handvoll Mitstreitern, in wenigen Monaten den ersten Prototyp des Concept One zu fertigen und auf der Frankfurter Automesse 2011 zu präsentieren.

Doch zur Entwicklung eines serienreifen Elektrowagens war es für den Jungunternehmer trotz des Anfangserfolgs ein weiter und beschwerlicher Weg. Eigentlich sei es „unmöglich“, in der sehr kapitalintensiven Automobilindustrie angesichts ihrer hohen Zugangsbarrieren Fuß zu fassen, sagt Rimac: „Vielleicht war unsere Naivität und unser Glaube, es schaffen zu können, im Rückblick auch ein Vorteil.“

Neben dem fehlenden Kapital erwiesen sich die unwilligen Zulieferer als das größte Problem. Diese seien es gewohnt, für die großen Konzerne und nur in sehr hohen Stückzahlen zu liefern, so Rimac: „Die Zulieferer wollten darum entweder überhaupt nicht mit mir reden – oder forderten selbst für die Entwicklung der kleinsten Komponenten Millionenbeiträge. Weil wir das Geld nicht hatten und es die von uns benötigten Komponenten auf dem Markt oft auch gar nicht gab, mussten wir von Anfang an alles selbst entwickeln – und fertigen.“

Die einstige Zuliefernot hat sich für Rimac längst als Tugend erwiesen: „Unsere Motoren wären nicht viel anders als andere, wenn wir sie nicht als gesamtes System entwickeln würden – also den Inverter und die Batterie zusammen mit dem Motor.“ Obwohl Technologie-Entwicklung im Kundenauftrag längst zum Hauptstandbein des Unternehmens geworden ist, will Rimac auch künftig bewusst ein Kleinserienhersteller von elektronischen Supersportwagen bleiben: „Unsere Autos sind unser Aushängeschild – und das beste Testfeld für unsere Entwicklungen. Wegen des Autos kennt uns heute jeder in der Industrie.“

Doch auch für Kroatiens Vorzeigeunternehmer war der Anfang schwer. Jahrelang habe seine Firma finanziell stets am Abgrund balanciert. „Tausende Male“ habe er sein Scheitern befürchtet, erinnert er sich an die Zeiten, in denen wegen unbezahlter Rechnungen auch schon mal der Strom abgeschaltet oder die Heizung abgedreht wurde: „Ich hatte lange nie das Geld auf dem Konto, um die nächsten Gehälter zu zahlen.“

Die Großen zählen zu seinen Kunden

Als Rimac seinen alten BMW mit einem Elektromotor umrüstete, galt er noch als Exot. Heute haben Elektro- und Hybrid-Autos Konjunktur. Zum Kundenkreis von Rimac Automobili zählen etablierte Automobilhersteller wie Aston Martin, Seat, Porsche oder die Supersportwagenhersteller Koenigsegg und Pagani. Mit ihren von Rimac gefertigten „Greyp“-E-Bikes lassen sich auch Fußballstars wie Lionel Messi oder Gerard Pique ablichten.

Die Zeiten, dass Rimac zum Überleben seiner Firma jeden angebotenen Auftrag annehmen musste, sind längst vorbei: Inzwischen drücken sich potenzielle Kunden und Investoren im innovationsfreudigen Laboratorium des elektronischen Automobils die Klinke in die Hand.
Nachdem 2017 der größte asiatische Autobatteriehersteller, die chinesische Camel Group, 30 Millionen Euro in die Firma investierte, hat sich Porsche im Juni mit zehn Prozent an Rimac Automobili beteiligt. Trifft der in der kroatischen Presse kolportierte Betrag von 16,8 Millionen Euro für die Porsche-Beteiligung zu, ist der Marktwert des einstigen Garagenunternehmens mittlerweile auf 168 Millionen Euro geklettert – Tendenz steigend.

Allein seit dem letzten Jahr hat sich die Zahl der Beschäftigten von Rimac auf 450 verdoppelt. Bis 2020 soll sie auf über 1.000 steigen. Lukrative Angebote, das Unternehmen ins Ausland zu verlagern, hat Rimac stets abgelehnt. Kroatien gehe derzeit durch eine „sehr depressive Phase“: Selbst hochqualifizierte Landsleute würden ihr Berufsglück in der Fremde suchen und nach Deutschland, Österreich, Irland oder in die USA auswandern. Auch „aus patriotischen Gründen“ wolle er seinen Beitrag dazu leisten, den „Exodus“ zu stoppen, in Kroatien ein Hightechunternehmen aufzubauen und „gute Arbeitsplätze zu schaffen“: „Warum ist Ferrari in Modena? Weil Enzo Ferrari dort gelebt und seine Firma aufgebaut hat.“

Als Hoffnung auf eine bessere Zukunft wird der Pionier des Elektromotors in seiner Heimat gefeiert. Im Juli veröffentlichte das Webportal „Index“ eine Rangliste von „elf Dingen, auf die Kroatien stolz sein kann“. Platz eins war Mate Rimac vorbehalten – noch vor den ins WM-Finale gelangten Nationalkickern, den Plitwitzer Seen – oder seinem Vorbild Nikola Tesla. Obwohl Rimac im Dienst seiner Firma unermüdlich um die Welt jettet, hebt der bodenständige Jungunternehmer keineswegs ab. In Kroatien gelte seine Firma zwar bereits jetzt als „Großunternehmen“. Doch in der Automobilindustrie, wo ein Konzern wie Hyundai einen dreieinhalb höheren Umsatz als Kroatiens gesamtes Sozialprodukt aufweise, „sind wir noch gar nichts, ein Mikrounternehmen“, sagt Rimac: „Wir haben noch einen langen Weg zu gehen, um wirklich erfolgreich zu sein.“

Schläfrig dösen Hunde zwischen den langen Reihen von Computerschirmen, vor denen junge Ingenieure aus aller Welt an den Elektromotoren und -autos der Zukunft brüten. Nicht nur, weil die Mitnahme von Vierbeinern in den hundefreundlichen Großraumbüros ausdrücklich erlaubt ist, versteht es das unorthodoxe Zukunftsunternehmen, die Kunden der Großkonzerne immer wieder aufs Neue zu verblüffen. Wie lange es noch dauern wird, bis Elektro- und Hybridautos klassische Benzin- und Dieselautos verdrängen werden, vermag allerdings auch der Branchenpionier nicht zu sagen: „Niemand weiß es.“

Die „wirklich große“ Änderung werde mit der „neuen Mobilität“ kommen, die die Industrie „auf den Kopf stellen“ werde, orakelt Rimac: „Die Autos der Zukunft werden elektrisch und selbstfahrend sein und über kein Lenkrad mehr verfügen. Sie werden von den Leuten nicht mehr gekauft, sondern genutzt, wenn der Bedarf da ist.“ Die Antwort auf die Frage, „wer diese Autos fertigen, operieren, nutzen und finanzieren“ werde, dürfte weniger bei der Automobilindustrie als „bei Unternehmen wie Google oder Uber“ liegen.

Noch machen dem Autovisionär im Alltag ganz andere Probleme zu schaffen. Er bedaure es, nur noch am Rande bei der Entwicklung der Autos miteingebunden zu sein, gibt Rimac beim Abschied offen zu: Als Vorstandschef sei sein Berufsleben vor allem von Powerpoint, Excelsheets, Treffen mit Investoren und Kunden bestimmt. Dass er seinen Status als Mehrheitsaktionär bald verlieren wird, macht dem vom Erfinder zum Industriekapitän mutierten Kroaten hingegen nicht zu schaffen: „Ob ich nun zu 30 oder 60 Prozent beteiligt bin, ist mir egal: Ich bin kein materialistischer Typ.“ Der Aufbau der „bestmöglichen Firma“ benötige eben Kapital: „Und wenn ich eines Tages für die Mehrheitseigner nicht mehr der beste bin, um die Firma weiterzuführen, ist das auch okay. Dann übergebe ich den Posten.“

Jacques Zeyen
20. Dezember 2018 - 18.41

Toll.Jetzt noch was für den Haushalt mit 2 Kindern sowie Reichweite von 800 Km.