Da ist etwas im Busch: Merkwürdige Rückmeldungen aus der „geheimen“ Datenbank der Polizei

Da ist etwas im Busch: Merkwürdige Rückmeldungen aus der „geheimen“ Datenbank der Polizei
fichiercentral.c3l.lu im Webbrowser eingeben, dann erscheint dieses Fenster. Ausfüllen und abschicken. Anschließend taucht das eigentliche Formular auf, mit dem man seinen Antrag auf Einsicht der Daten stellen kann. Foto: Editpress

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Wer einen Antrag stellt, um Einblick in jene Daten zu bekommen, die über ihn im „Fichier central“ der Polizei gespeichert sind, bekommt auch eine Antwort. Allerdings erst nach einer längeren Wartezeit und nicht unbedingt vollständig oder sogar falsch. Der „Chaos Computer Club Lëtzebuerg“ reagiert mit Erstaunen und nennt Beispiele.

Ein „Vergehen“, das erst in der Zukunft passiert, ein Zeuge, der zum Beschuldigten wird oder unterschiedliche Behandlung gleicher Taten.
Solche und ähnliche Fakten sind dem „Chaos Computer Club Lëtzebuerg“ zugetragen worden.

Worum geht es? Es geht um Einträge im „Fichier central“ der Polizei, im Volksmund auch noch „geheimes Polizeidossier“ genannt. Nachdem das Wissen um diese Datenbank an die breite Öffentlichkeit gelangt ist, beschäftigt sie natürlich auch den „Chaos Computer Club“, abgekürzt C3L.

Um für mehr Klarheit zu sorgen und um den Bürgern zu ihrem Recht auf Information zu verhelfen, hat der C3L eine Art Formular ausgearbeitet: fichiercentral.c3l.lu. Dieses Formular kann von jedem Bürger sehr einfach heruntergeladen, ausgefüllt und mit Kopie des Personalausweises an den Datenschutzbeauftragten sowie das Sekretariat der Generaldirektion der Polizei geschickt werden. Ziel ist es, Einblick in die Einträge zu erhalten, die in dieser Datenbank über den Antragsteller gespeichert sind.

Merkwürdige Rückmeldungen

Statistiken führt der C3L aus Datenschutzgründen nicht. Allerdings weiß der Club durch Rückmeldungen von Freunden und Bekannten oder von Mitgliedern, dass nicht wenige diesen Antrag bereits gestellt haben und einige auch schon eine Antwort erhalten haben. Unter diesen Rückmeldungen befinden sich auch die anfangs erwähnten Ungereimtheiten.
Im Detail geht es dabei zum Beispiel um die Person X.Y., die sehr erstaunt war, als sie im September 2019 den angeforderten Einblick in ihre Daten erhielt. Erstaunt, weil es dort um einen Zwischenfall mit einem Auto ging, allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, nämlich Ende Oktober dieses Jahres.

In einer anderen Antwort wird Frau Y.Z. als Beschuldigte bei einem Jahre zurückliegenden Zwischenfall genannt. Dabei, so die Betroffene, sei sie damals Zeugin gewesen. Dann gibt es das Beispiel von Freunden, die an einer Demo bei der amerikanischen Botschaft teilgenommen haben und polizeilich erfasst wurden. Anders als erwartet, steht in der bislang vorliegenden Antwort kein Wort darüber. Merkwürdige Rückmeldungen gibt es auch was kleinere Verkehrsvergehen anbelangt. Falschparken oder zu schnelles Fahren wird, bei gleicher Schwere des Vergehens, mal erwähnt, mal nicht.

C3L ist stutzig

Wie ist so etwas möglich? Die Antworten machen den C3L stutzig. Eine Erklärung könnte sein, dass es keine Originalkopie der Einträge aus dem Fichier central“ gibt, sondern nur Teile oder eine Art Zusammenfassung der Akte, was alles andere als glücklich sei, so der „Chaos Computer Club“. Mögliche Ursache könnte auch sein, dass eine Art „manuelle“ Auswahl stattfindet, vielleicht sogar aus unterschiedlichen Quellen. Denkbar wäre auch, dass eine Quelle digital gespeichert ist, während eine andere, vergleichbare, nur auf Papier vorhanden ist, so der C3L, der zudem darauf verweist, dass eine einzige Datenschutzbeauftragte bei der Polizei sich um die Anfragen kümmert.

Der „Chaos Computer Club Lëtzebuerg“ wurde 2008 gegründet (das deutsche Vorbild bereits 1984). Heute zählt er um die 30 Mitglieder. Diese interessieren sich für Technik und machen sich Gedanken darüber, was Technik an Vor- und Nachteilen für die Bürger mit sich bringt, besonders natürlich hinsichtlich Datenbanken und Datenschutz.

Der C3L leistet Aufklärungsarbeit und kreidet an, was nicht läuft. Dabei ist ausnahmslos jeder im Visier: Politik, Polizei oder andere Institutionen. Der Club hat sehr differenzierte Meinungen zu unterschiedlichen Entwicklungen, beispielsweise was die automatischen Kassen in den Supermärkten, das bargeldlose Bezahlen oder eben die Datenbanken anbelangt. Wenn sie Bedenken haben, so wie im Fall des „Fichier central“, dann äußern sie die auch.

Recht auf Vollständigkeit

Bedenken hat der Club auch, wenn der Minister für Innere Sicherheit einen Gesetzentwurf für die Datenbank der Polizei ankündigt: Wie steht es dann mit den Datenbanken der Staatsanwaltschaft, des Schengener Informationssystems, der Fluggesellschaften oder des Geheimdienstes SREL? Der C3L fragt sich, ob in allen Fällen gleichermaßen „reformiert“ und für Klarheit gesorgt wird?

Wenn die Regierung Transparenz predige, dann müsse sie auch so handeln. Jeder Bürger habe ein Recht auf einen vollständigen Einblick in seine Akteneinträge.

Die große Frage bleibe zudem, wie all diese Datenbanken zusammenhängen und interaktiv genutzt werden können? Und von wem? Der Club verweist auf die parlamentarische Frage, die der Abgeordnete Marc Baum („déi Lénk“) an den Minister für Innere Sicherheit, François Bausch, gestellt hat, nämlich: „Wie oft haben der Staat und die Verwaltungen auf die existierenden Datenvorräte zurückgegriffen?“ Bis heute gibt es darauf keine Antwort. Auch nicht darauf, ob es heute legal wäre, wenn diese vor Gericht benutzt würden.

Der C3L arbeitet zurzeit übrigens an einem neuen Formular. Damit soll es dem Bürger möglich sein, nicht nur die Daten aus dem „Fichier central“ der Polizei zu beantragen, sondern auch diejenigen aus dem Schengener Informationssystems.

Marc Chartreux
19. Oktober 2019 - 15.02

Bemerkenswert dass die Polizeidatenbank die Zukunft voraussagt: „Im Detail geht es dabei zum Beispiel um die Person X.Y., die sehr erstaunt war, als sie im September 2019 den angeforderten Einblick in ihre Daten erhielt. Erstaunt, weil es dort um einen Zwischenfall mit einem Auto ging, allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, nämlich Ende Oktober dieses Jahres.„ Wie man ersehen kann, sorgt Minister Bausch für Vertrauen und Transparenz.