„Hope“, Hoffnung

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„Hope“ heißt Hoffnung und „Hope“ war gestern unterwegs nach Gaza. Erneut versuchte ein Schiff mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen – das größte Freiluft-Gefängnis der Geschichte –, den dort von den Israelis eingeschlossenen Palästinensern dringend benötigte Güter zu überbringen.

Das wird wohl sehr schwierig sein, da der israelische Außenminister Avigdor Lieberman bereits harsch mitgeteilt hat, dass kein Schiff den Gazastreifen erreichen wird. Nun könnte man meinen, der Gazastreifen würde Herrn Lieberman gehören, das ist jedoch nicht der Fall. Dennoch, Lieberman kann beruhigt den harten Ton anschlagen. Selbst nach den Vorfällen vom letzten 31. Mai nämlich geht alles weiter wie bisher. Die internationale Gemeinschaft hat nach dem Überfall der israelischen Armee auf die Schiffe der internationalen Hilfsflotte zwar entsetzt reagiert. Neun Menschen auf den Schiffen der Hilfsflotte starben durch israelische Kugeln. Doch anschließend hat sich die Empörung wieder gelegt.

Sicher, Israel hat die Blockade etwas gelockert und eine neue Liste mit Gütern, die für 1,5 Millionen im Gazastreifen eingeschlossene Menschen zugelassen sind, veröffentlicht.

Und schon schien alles wieder gut. Der israelische Premierminister Netanjahu wurde im Nachhinein von US-Präsident Barack Obama empfangen, mit Handshake und offiziellem Foto. Der Ruf nach einer internationalen Untersuchung des Vorfalls ist inzwischen so gut wie verstummt. Lediglich das NATO-Mitglied Türkei bleibt hart. Die Türkei spricht von einem Akt des Staatsterrorismus und hat die Beziehungen zu Israel eingefroren.

Es geht weiter wie gehabt

Einer internationalen Untersuchung, so wie sie neben der Türkei auch die UNO fordert, bedarf es ja auch nicht, jedenfalls nicht laut Israel. Dort hat ein General den Angriff analysiert und ist zum Schluss gekommen, dass die israelischen Soldaten in Notwehr gehandelt haben. Bislang ist es jedoch nach internationalem Recht so, dass ein Schiff, das in internationalen Gewässern angegriffen wird, das Recht hat, sich zu verteidigen. Die jetzige Schlussfolgerung, dass ein Angreifer in Notwehr gehandelt haben soll, ruft daher doch ziemliches Unverständnis hervor.

Würde man das Ganze z.B. mit einem Piratenangriff auf ein Schiff in internationalen Gewässern vergleichen, hieße das doch wohl nichts anderes, als dass ein Pirat, der auf dem soeben von ihm und seinen Kumpanen überfallenen Schiff auf Matrosen schießt, die sich vielleicht auch mit Waffengewalt gegen diesen Angriff wehren, in Notwehr gehandelt hat, wenn er diese Besatzungsmitglieder auf deren Schiff verwundet. Das kann ja wohl nicht zutreffen. So bleibt im Fall „Hope“ eigentlich nur zu hoffen, dass es nach Ablauf des Ultimatums, das Israel dem Schiff bis gestern Abend 23 Uhr gestellt hat, und also auch nach dem Schreiben dieser Zeilen, nicht wieder zu einer israelischen Aktion gekommen sein wird, bei der es Tote gegeben haben wird.

Der Vorfall im Mai hat jedoch gezeigt, dass Israel offensichtlich nur auf Druck reagiert. Ohne den Überfall auf die Hilfsflotte und die dadurch entstandenen, internationalen scharfen Reaktionen hätte Israel keine zusätzlichen Güter in den Gazastreifen hineingelassen. Nun, wo der Druck durch diese Lockerung nachlässt, wo Obama Netanjahu wieder hofiert, geht alles weiter wie bisher. Gestern wurden erneut drei sich im Bau befindliche palästinensische Häuser im von Israel illegal annektierten Ost-Jerusalem abgerissen. Dafür wurden am Montag Baugenehmigungen für vier neue Wohnhäuser in einer der jüdischen Kolonien in Ost-Jerusalem erteilt, neben 60 Projekten für arabische Israelis.

Es geht also weiter wie gehabt. Die illegale Blockade des Gazastreifens, die Unterdrückung der Palästinenser, auch im Westjordanland mit seinen 500 israelischen Kontrollpunkten, und die illegalen Bauvorhaben in Ost-Jerusalem werden vor den Augen der internationalen Gemeinschaft unbeirrt fortgesetzt.

Der einzige aktuelle Lichtblick, dass es vielleicht eines Tages anders wird, ist „Hope“, das Schiff. Denn „Hope“ ist für die israelische Politik wegen des großen Auslands-Interesses ein wirklicher Störfaktor. Es bleibt die Hoffnung, dass es noch viele „Hopes“ geben wird.

Serge Kennerknecht
skennerknecht@tageblatt.lu