BerichtIm Elsass werden Patienten über 80 offenbar generell nicht mehr beatmet

Bericht / Im Elsass werden Patienten über 80 offenbar generell nicht mehr beatmet
Emmanuel Macron (2.v.l), Präsident von Frankreich, trägt einen Mundschutz während eines Besuches im Armeekrankenhaus in Mulhouse, Ostfrankreich Mathieu Cugnot/EPA POOL/AP/dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Elsass gilt als Corona-Zentrum in Frankreich. Die Lage dort ist schlimm. Unweit von Deutschland werden alte Corona-Kranke nun nicht länger beatmet. Wird das auch in Baden-Württemberg bald so sein?

Katastrophenmediziner berichten angesichts der Corona-Pandemie über dramatische Zustände aus dem Elsass, die aus ihrer Sicht bald auch in Deutschland drohen könnten. Demnach arbeiten Mediziner an der Universitätsklinik Straßburg weiter mit Corona-Patienten, auch wenn sie selbst infiziert sind. Über 80-Jährige werden nicht länger beatmet. Stattdessen erfolge «Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln», schreiben die Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin in Tübingen in einem Bericht an die baden-württembergische Landesregierung, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Mehrere Medien haben darüber berichtet.

Das Elsass gilt als Frankreichs Zentrum der Krise. Die deutschen Katastrophenmediziner besuchten die Universitätsklinik Straßburg am Montag – und schlagen angesichts der Zustände Alarm. Sie berichten in dem Papier von einer «greifbaren Gefahr» durch das Virus. Unter der Annahme, dass sich die Entwicklung im Elsass bald in Deutschland einstellen werde, sei eine optimale Vorbereitung von «allerhöchster Dringlichkeit». Die Gefahr durch das Coronavirus mache «weitere konsequente Maßnahmen der Landesregierungen, der Krankenhäuser und der Rettungsdienste in Deutschland» unabdingbar.

Nadelöhr seien die zu beatmenden Patienten, heißt es in dem Papier. Seit dem Wochenende würden Patienten, die älter sind als 80 Jahre, an der Straßburger Klinik nicht mehr beatmet. So werde auch verfahren mit Patienten in Pflegeheimen in jenem Alter, die beatmet werden müssten. Sie sollen durch den Rettungsdienst eine «schnelle Sterbebegleitung» erhalten. Die Ethikkommission gebe diese Vorgehensweise vor.

Scharfe Kritik

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert das französische Vorgehen nach Alter scharf. Lebensalter oder Herkunft dürften für die medizinische Hilfe keine Rolle spielen, sagte Vorstand Eugen Brysch. «Vielmehr stehen der Patientenwille und die medizinische Prognose im Mittelpunkt.» Für die Patienten sei wichtig, ihren Willen rechtzeitig zu bekunden, etwa mit einer Patientenverfügung. Deutsche Intensiv- und Notfallmediziner hätten am Donnerstag klinisch-ethische Empfehlungen zur Versorgung von Intensivpatienten vorgelegt. Kriterium ist demnach die klinische Erfolgsaussicht der Behandlung – nicht das Alter. Mit der Handreichung sollten Zustände wie in Frankreich vermieden werden, sagt Brysch.

Die Straßburger Klinik nahm am Montag dem Bericht zufolge stündlich einen Patienten auf, der beatmet werden musste. 90 Beatmungsbetten standen zu dem Zeitpunkt zur Verfügung; die Klinik baut ihre Kapazitäten derzeit aus. Patienten zwischen 19 und 80 Jahren werden dort beatmet, wobei nur 3 der 90 Patienten jünger als 50 waren und keine Vorerkrankungen hatten. Am Universitätsklinikum wird pro Tag nur noch eine lebenswichtige Bypass-Operation durchgeführt, es gibt keine Tumor-Chirurgie mehr und keine ambulanten Operationen. Alle Patienten, die gehen können und bei denen es gesundheitlich vertretbar ist, wurden entlassen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte die an Deutschland grenzenden ostfranzösischen Gebiete Elsass und Lothringen bereits vor rund zwei Wochen als Coronavirus-Risikogebiet eingestuft. Auch die Region Champagne-Ardenne, die eine Grenze mit Belgien teilt, gilt als Risikogebiet. Die drei Gebiete bilden zusammen die Region Grand Est. Sie grenzt an Baden-Württemberg, an das Saarland und an Rheinland-Pfalz. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch einer neuen mobilen Armeeklinik am Mittwochabend im elsässischen Mülhausen (Mulhouse) eine Militäroperation zur Unterstützung der Bevölkerung an.

Nach Angaben der regionalen Gesundheitsbehörde waren bis Mittwoch 3068 Menschen mit einer Sars-CoV-2-Infektion in Krankenhäusern untergebracht. Fast 651 davon waren auf Intensivstationen. Seit Beginn der Pandemie wurden in der gesamten Region mehr als 500 Todesfälle verzeichnet. Ein Sonderzug mit 20 Corona-Patienten an Bord verließ am Donnerstag Straßburg Richtung Westfrankreich, um die Intensivstationen in der betroffenen Region zu entlasten.

Mahnendes Beispiel für Deutschland

Das deutsche Gesundheitswesen sei weiterhin gut aufgestellt, hieß es am Donnerstag im baden-württembergischen Innenministerium. Aber man nehme die Lage im Elsass als «mahnendes Beispiel am Horizont». Man wolle die Arbeit gegen das Virus noch weiter intensivieren.

Intensivmedizinern und Notärzten komme in der Krise eine Schlüsselrolle zu, berichten die Katastrophenmediziner weiter. «Der Ausfall jeder einzelnen Person in diesen Bereichen wird am Ende Menschen das Leben kosten.» Deshalb müsse für diese Fachkräfte eine Sonderrolle gelten. Frankreich gestatte auch infizierten Ärzten die Arbeit. «Einzig bei bestätigter Infektion und eigenen Symptomen wird die Arbeit wenige Tage unterbrochen», schreiben die Mediziner über den französischen Rettungsdienst.

Die Mediziner warnen wegen der Corona-Krise aber auch vor «medizinischen Kollateralschäden». Die Menschen hätten trotz Corona-Krise Anspruch auf eine adäquate Behandlung etwa wegen Herzinfarkten oder Unfällen. «Wir dürfen am Ende nicht all diese Patienten verlieren, um dafür alle Covid-19-Patienten gerettet zu haben.»

Jacques Zeyen
28. März 2020 - 9.52

Mit 65 kann ich mir einen Kommentar leisten der alte Menschen betrifft. Wir sprechen wohl von einem aussergewöhnlichen Szenario wie wir sie nur aus Katastrophenfilmen kennen. Allerdings kann ich mir persönlich vorstellen,dass ich einem Arzt mein Einverständnis geben würde wenn er meinem Bettnachbarn, der halb so alt ist wie ich und kleine Kinder hat, den Vortritt gibt. Wir werden immer älter weil die Medizin und unsere Lebensqualität es uns erlauben. Jetzt kommt etwas womit wir nicht gerechnet haben.Zum erstenmal kann die Medizin uns nicht helfen und wir sterben wenn wir nicht stark genug sind.Das war in der Natur schon immer so. Nur weil wir uns eine Moral oder Ethik aufgebaut haben die für uns sehr günstig ist,heißt das noch lange nicht,dass die Natur sich daran hält.

Irma
28. März 2020 - 0.39

@Claude "In Mulhouse hören sie bei 75 schon auf." Die hat's ja auch alle bei einer Messe mit 2500 Personen erwischt, die kommen alle in den Himmel.

Leila
27. März 2020 - 18.22

Als erstes nach einer Patientenverfügung fragen, denn wieviel der Betroffenen will überhaupt noch am Leben bleiben? Eine Reanimation ist schmerzhaft, da brechen schon mal die Rippen. Die Bilder aus Italien in den Krankenhäusern sind schrecklich, die Menschen liegen auf dem Bauch, was bestimmt nicht bequem ist, besonders für alte Menschen. Soll ein bereits gelebtes Leben über das eines Elternteils, das noch lange gebraucht wird stehen, nur weil es früher eingeliefert wurde? Außerdem "krepiert" der alte Mensch nicht, sondern erhält «Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln»! Allemal besser, als auf dem Bauch liegend künstlich beatmet zu werden und in wer weiß welche Welt entlassen werden (falls es überhaupt so weit kommt)!

jean-pierre goelff
27. März 2020 - 15.52

Das,,generell,,wurde ja schon heftig dementiert,aber,was soll und muss ein Arzt tun wenn er es mit einem z.B. 80-jährigen und mit einem 45-jährigen zu tun hat und nur eine ,,Rettungsinsel,, zur Verfügung steht??!!Wer von uns allen möchte da schon entscheiden?Auf den zum Himmel schreienden Mangel an Material und Personal wird hier in Frankreich ja schon seit Jahren hingewiesen,aber keiner,auch der Emmanuel-Gernegross ,hat's hören wollen!An elo stin mär do,eweï d'Kand beim Dreck,gelle!

Gronnar
27. März 2020 - 12.39

@Grober J-P. "...oder der Flüsterkastenmann von Bojo verzapft. Hoffentlich irrt sich das Virus mal nicht!" BoJo hat's erwischt!

bernard
27. März 2020 - 11.41

Ech hoffe jo awer staark, dass een am Gaang ass eng Lëscht vun deene Politiker ze maachen, déi ëmmer fir Aspuerungen a Bettreduzéierungen an de Spideeler gestëmmt hunn, da kënnen d'Dokteren déi op der Drénglechkeetslëscht hannert déi 100jähreg Fëmmerte mat COPD setzen.

Paul Sabèse
27. März 2020 - 11.16

Hauptsache einen Flugzeugträger und 300 Atombomben.

Consti. F
27. März 2020 - 10.30

@ Alle. Jacques Attali, Berater der Präsidenten Hollande und Macron, hat in seinem Buch " L'avenir de la vie" ( unter anderem wirren Zeug ) diese Aussage getätigt. " Wenn jemand die 60/65 Jahre überschreitet, lebt er länger, als er produziert und kommt die Gesellschaft daher teuer....Aus Sicht der Gesellschaft ist es vorzuziehen, dass die menschliche Maschine sich brutal blockiert anstatt schrittweise abzubauen. Das wird ganz klar, wenn man daran denkt, dass zwei Drittel der Gesundheitsausgaben sich auf die letzten Lebensmonate konzentrieren. "

Grober J-P.
27. März 2020 - 1.21

"Triage" hat also begonnen, habe es befürchtet. Wie armselig diese Gesellschaft. Manchen kommt das Virus sehr gelegen, man höre nur was ein Trump oder der Flüsterkastenmann von Bojo verzapft. Hoffentlich irrt sich das Virus mal nicht!

Ute Reichling-Wack
26. März 2020 - 23.31

Ich bin jetzt 73-ig Jahre alt und total schockiert, was sich unsere Nachbarn "La Grande Nation" jetzt geleistet haben, das kann doch nicht wahr sein, wenn das so weitergeht schrauben die bestimmt noch weiter die Altersgrenze runter!?! Lieber "fresse" ich selber alle meine Schlaftabletten als elendig an dem Virus zu "krepieren", denn als Sterben kann man das wohl nicht gelten lassen. Für mich persönlich ist das vertuschter Mord an seinen älteren Senioren, die sich ihr Leben lang für ihr Land den Arsch aufgerissen haben - "Merde Alors"!

Werner Loretz
26. März 2020 - 20.06

Was kann man da sagen, horror fuer die Betroffenen, noch schlimmer als i'm 2. Weltkrieg. Herr Macron war sich zu sicher, dass die grande nation verschont bleiben wird. Werner Loretz, schweiz

Claude
26. März 2020 - 19.34

In Mulhouse hören sie bei 75 schon auf.