Öffentlicher DienstEine Wahl zur Unzeit

Öffentlicher Dienst / Eine Wahl zur Unzeit
Romain Wolff, aktueller Präsident der Staats- und Gemeindebeamtenkammer sowie CGFP-Präsident. Auch seine Gewerkschaft findet den Zeitpunkt der Sozialwahl ungünstig. Foto: Editpress-Archiv

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wären da nicht vereinzelte Werbeauftritte von Gewerkschaften, hätten die meisten im Land wohl nur am Rande oder überhaupt nichts von den zurzeit laufenden Sozialwahlen des öffentlichen Dienstes mitbekommen. Die Zeit eignet sich nicht gerade, um entsprechende Versammlungen abzuhalten, um Kampagnen mit den politischen Zielsetzungen der jeweiligen Gruppierungen, unter denen sich auch neue befinden, zu organisieren. Es ist eine Wahl zur Unzeit, an der die Regierung festhielt.

Rund 40.000 Staats- und Gemeindebeamten, Grundschul- und Sekundarlehrern wurden – eine Woche vor dem eigentlichen Termin – ihre Umschläge zur Briefwahl (Wahlbüros gibt es bei diesem Urnengang keine) vor ein bis zwei Wochen zugestellt. Wie im Privatsektor wählen sie alle fünf Jahre eine repräsentative Kammer. Anders als bei den Sozialwahlen zur Bestimmung der Zusammensetzung der Arbeitnehmerkammer (CSL), setzt sich die „Chambre des fonctionnaires et employés publics“ aus 27 Vertretern und ihren Ersatzdelegierten zusammen. Bis zum 18. Februar mussten die Kandidaturen beim einzigen und somit zentralen Wahlbüro, dessen Präsident Marc Lemal ist, eingereicht werden, am 20. März dann sollten die Wahlzettel an die staatlichen und kommunalen Beschäftigten versendet werden; was nun allerdings, wohl aus Furcht vor Verzögerungen durch die aktuelle Lage, einige Tage vorher geschah 

Die Wahl läuft bis zum letzten Tag des Monats; ausgezählt werden soll dann am 1. April. Jeder Wahlberechtigte bestimmt die Kandidaten in seiner Kategorie. Kategorie A2 wählt zum Beispiel zwei Vertreter der Lehrer in der höheren Laufbahn, Kategorie A1 einen Vertreter aller anderen höheren Beamten. Die Beamten der mittleren Laufbahn (Kategorie B) wählen fünf Vertreter, jene der Kategorie C (untere Laufbahnen) bestimmen neun Vertreter, Kategorie D (mittlere Laufbahnen im Bildungswesen) wählen fünf Repräsentanten, „Fonctionnaires“ und „Employés communaux“ (Kategorie E) haben fünf Mandate und der Klerus (Kategorie F) darf einen Vertreter für die Kammer bestimmen. Schließlich bestimmen die öffentlich Beschäftigten der „Etablissements publics“, die Lehrbeauftragten, Beamte in Polizei und Armee zwei Kandidaten (Kategorie G).
Die CGFP stellt dabei die meisten Kandidaten, die in allen Kategorien mit ihren Unterorganisationen antreten. Sie stellt ebenfalls den aktuellen Präsidenten der Kammer, Romain Wolff, sowie mit ihrer verwandten Organisation der Gemeindebeamten (FGFC) 25 der 27 Delegierten.

OGBL/FNCTTFEL-Landesverband-Listen

Es gibt diesmal einige Neuerungen. So tritt bei den Lehrern neben den tradtionellen Syndikaten SEW-OGBL, Apess und Feduse/CGFP auch eine neue Gruppierung unter dem Namen Agess („Association générale des professeurs de l’enseignement secondaire et supérieur“) an, die sich ideologisch und politisch neutral vorstellt. Einer der vier Kandidaten ist Daniel Reding, der bislang als Apess-Vertreter als einziger Nicht-CGFP-Gewerkschafter in der Staatsbeamtenkammer vertreten war, nur der Landesverband stellte noch einen Vertreter bei den Gemeindebeamten. Nach internem Streit bei der Apess tritt Reding demnach auf einer neuen Liste an. Die nach zwei jeweiligen Kongressen intensivierte Zusammenarbeit von OGBL und FNCTTFEL-Landesverband findet ihren Ausdruck in zahlreichen gemeinsamen Listen, die unter der Bezeichnung OGBL/FNCTTFEL-Landesverband laufen.

Beim OGBL sind die zuständigen Gewerkschaftssekretäre nicht gerade begeistert darüber, dass an der Wahl festgehalten wurde. Wir sprachen mit Frédéric Krier, der darauf verwies, dass Kampagnen zurzeit unmöglich zu organisieren seien. Auch würde der postalische Weg der Wahl bedeuten, dass die Menschen ihr Haus verlassen müssten und angesichts mancher wegen der Krise geschlossener Briefkästen und rarer werdender Postbüros eventuell recht weite Wege zurücklegen müssten. 

Der OGBL bedauere die Entscheidung der Regierung, an diesem Wahlgang festzuhalten. OGBL und Landesverband würden ihre Wahlbotschaften in erster Linie über die sozialen Medien verbreiten, um unnötige soziale Kontakte so weit wie möglich einzuschränken, so die Gewerkschaft in einer Stellungnahme.

Neben der Frage der Wahlen, fordern die beiden Gewerkschaften aber auch einige spezifische Maßnahmen für die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, insbesondere die Verallgemeinerung des Rückgriffs auf die Telearbeit für alle nicht wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen, wo dies noch nicht der Fall ist, die Ausdehnung des Angebots an Kindertagesstätten für die Beschäftigten aller öffentlichen Dienstleistungen, deren Weiterfunktionieren unabdingbar ist und bei denen Telearbeit nicht möglich ist, und die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen für alle Beschäftigten, die regelmäßig Kontakt zu Menschen haben und die weiter funktionieren müssen (z.B. Bussektor, Energiesektor, CGDIS, Polizei …). Keine steuerliche Benachteiligung soll es für die Beamten und Angestellten, die jenseits der Grenze wohnen, geben, eine Einigung solle mit Deutschland und Frankreich nach dem Vorbild Belgiens erzielt werden.

CGFP zählt 25 von 27 Delegierten

Bei der größten Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, der CGFP, die auf ihre 31.000 Mitglieder und fünf Fachverbände verweist, ihr Programm auf der Internetseite zum Herunterladen anbietet und in den letzten Tagen etwa mit ganzseitigen Anzeigen in der Tagespresse warb, erreichten wir Generalsekretär Steve Heiliger.

Auch die CGFP hält die Wahl für eine ungünstige Entscheidung der Regierung. Wenn die Politik allerdings so entschieden habe, spiele die Gewerkschaft ihre Rolle und versuche, die Wähler von der Notwendigkeit zu überzeugen, gerade in schwierigen Zeiten eine starke Vertretung zu wählen. Auch die CGFP gibt aktuelle Empfehlungen und schreibt u.a. auf ihrer Internetseite: „Die Herausforderungen, die sich dem Land infolge der rasant steigenden Infektionszahlen stellen, erfordern Solidarität und Zusammenhalt. Die akuten Probleme lassen sich nicht in einem Misstrauensklima bewältigen. An die Verantwortlichen geht deshalb der Aufruf, verstärkt auf eine gewisse Vertrauenskultur gegenüber den Staatsbediensteten zu setzen.

Inwieweit die Ergebnisse der nun stattfindenden Wahl durch die ungewohnten Rahmenbedingungen verfälscht werden, ist offen, ebenso wie die Frage, weshalb das Ministerium des öffentlichen Dienstes und damit die ganze Regierung an der Wahl zu diesem Zeitpunkt festhalten.